Dank der vielen Stunden, die der Nachwuchs in sozialen Medien verbracht hat, wurde das Gefühl der Generation Krise aber noch schön kultiviert: Nervöses Wackeln mit den Füßen? Das muss ADHS sein! Vermeiden von Blickkontakt und Schwierigkeiten in sozialen Situationen? Eindeutig Autismus! Keine Frage, die psychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche in Österreich ist desaströs: Allein in Wien sind nur sieben von zehn vorgesehenen Kassenarztstellen besetzt, dazu gibt es 40 Wahlpsychiater – für eine Millionenstadt kein Zustand. Ganz zu schweigen von den anderen Bundesländern.
Doch was wir bei aller Sorge und Mitgefühl um die Jugend und ihre Ängste rund um Pandemie, Klimakrise und Krieg vergessen: Es sind Jugendliche. Es ist Teil ihrer Natur und ihrer Entwicklung, dass sie sich positionieren und ihre eigene Identität entdecken wollen. Dazu gehört auch, Leid und Traurigkeit zu spüren, in neue Rollen zu schlüpfen und Emotionen auszuprobieren.
Hier kommen wieder die Eltern ins Spiel. Denn Jugendliche reflektieren auf ihr Umfeld. Es ist bezeichnend für unseren Zeitgeist, dass wir Kinder und Jugendliche als arm und verloren bezeichnen, weil wir ihnen nichts mehr zutrauen. Und wenn Eltern und sonstige Bezugspersonen den Nachwuchs als benachteiligt sehen, fühlt er sich auch so. Es liegt an den Erwachsenen, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben und einzuschätzen, ob es professionelle Hilfe braucht oder ob es sich im gesunden Rahmen der natürlichen Findungsphase bewegt.
Letztendlich sind Krisen gerade in diesen Entwicklungsjahren nicht nur schlecht. Wer früh lernt, solche Herausforderungen zu bewältigen, geht umso gestärkter ins eigenständige Erwachsenenleben. Auch hierbei sind die erwachsenen Bezugspersonen gefragt: Sie müssen bereit sein, Emotionen zuzulassen und gemeinsam einen Weg zu gestalten, um Schwierigkeiten zu bewältigen. Stichwort: Wir bekommen das hin!
Damit hat die sogenannte Generation Krise die besten Voraussetzungen besondere Fähigkeiten zu entwickeln, Probleme zu lösen. Aus dieser Position heraus könnte man fast von einer Generation Chance sprechen.
laila.docekal@kurier.at
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