Zum Glück hat die EMA ihren Sitz nicht in Wien

Zum Glück hat die EMA ihren Sitz nicht in Wien
Politisches Kleingeld schadet dem Standort für internationale Organisationen

Im Vorfeld des Februar-Gipfels der EU war es wieder einmal so weit: Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), Covid-Impfstoffe gefälligst schneller zuzulassen und wiederholte damit frühere Aussagen, wonach die EMA zu langsam und zu schwerfällig arbeiten würde.

Assistiert von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die die EMA als „Verzögerer“ und nicht als „Ermöglicher“ titulierte, sowie vom Außenminister Alexander Schallenberg.

Dieser desavouierte den von den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam vereinbarten Prozess zur beschleunigten Zulassung von Impfstoffen. Plötzlich sei es „unverständlich, warum es in der EU dermaßen lange dauert“.

Die in Amsterdam ansässige EMA müsse hier gefälligst schneller handeln. „Die Datengrundlage für die Entscheidung müsste längst gegeben sein“, meinte Schallenberg.

Dass diese wiederholte Kritik objektiv ungerechtfertigt ist, zeigt allein ein Blick auf die tatsächliche Verfahrensdauer: Der Impfstoff von Biontech erhielt seine Zulassung drei Wochen nach Antragstellung, Moderna nach fünfeinhalb Wochen und der von Astra Zeneca gar bereits nach zweieinhalb Wochen. Woher die Juristen Tanner und Schallenberg sowie der Maturant Kurz ihre fachliche Kompetenz zur Kritik an der Arbeit von Pharmakologen und Medizinern in der EMA nehmen, wird beflissentlich nicht thematisiert.

Kritik für irgendetwas

Es reicht offensichtlich wieder einmal, „die in der EU“ für irgendetwas zu kritisieren. Im Jahr 2017 hat der damalige Außenminister Kurz noch jeden möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die europäische Arzneimittelagentur von London nach Wien umzusiedeln. Zu groß waren die Begehrlichkeiten, diese prestigeträchtige Einrichtung nach Österreich zu bekommen.

Wie sich jetzt zum Glück herausstellt, wurde die EMA nach Amsterdam vergeben. Denn mit Grauen stellt man sich vor, was passiert wäre, wenn die EMA stattdessen nach Wien gekommen wäre: Nationale Politpöbeleien gegen eine unabhängige Zulassungsbehörde und ein Außenminister, der nicht nur den deutschen Botschafter, sondern vielleicht dann auch gleich den EMA-Chef an einem Sonntag im Außenministerium antanzen hätte lassen zwecks medienwirksamer Politkopfwäsche.

Völlig unverständlich wird die anhaltende EMA-Kritik angesichts der gleichzeitig massiven Bemühungen der Bundesregierung, mittels eines neuen Amtssitzgesetzes Österreich beziehungsweise Wien als Sitz internationaler Organisationen und Ort für internationale Konferenzen und Verhandlungen zu stärken.

Diplomatie ist ein sensibles Geschäft. Internationale Organisationen werden es sich jedenfalls dreimal überlegen, nach Österreich zu kommen, wenn sie sehen, dass Kanzler und Minister ihre Arbeit öffentlich massiv kritisieren, nur um schnell einmal innenpolitisches Kleingeld zu machen.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen. Er ist Berater und Publizist.

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