Zum 1. Mai: Willkommen bei den Populisten!

Zum 1. Mai: Willkommen bei den Populisten!
Mit weniger Arbeit lassen sich die Personalnot und die hohe Inflation nicht bekämpfen.

Wissenschaftler haben es nicht immer leicht. Ihre Theorien werden oft im Elfenbeinturm entwickelt und haben mit der Realität vermeintlich wenig zu tun. Diesen Vorwurf hören auch wir Ökonomen häufig. Und es ist etwas Wahres dran; der ökonomisch rational denkende Mensch, der „Homo oeconomicus“, existiert ja bekanntlich nicht. Auch Krisen kommen oft aus einer ganz anderen Ecke als erwartet. Oder haben Sie vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank irgendwo von einem entsprechenden Risiko gehört oder gelesen?

Und trotzdem gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich nicht aushebeln lassen – auch dann nicht, wenn sie der Politik gerade nicht in den Kram passen. Leider sind es immer die Bürger, die dafür büßen müssen, wenn ihre gewählten Vertreter Fakten ignorieren. So entschied der türkische Präsident Erdoğan im Jahr 2021 kurzerhand, dass eine Senkung der Leitzinsen die Inflationsrate von damals rund 20 Prozent reduzieren würde. In jedem volkswirtschaftlichen Lehrbuch steht das Gegenteil: Niedrigere Leitzinsen verbilligen Kredite und kurbeln die Wirtschaft (und damit die Inflation) an. Letzteres ist natürlich auch passiert; die türkische Inflation stieg im Vorjahr auf knackige 72 Prozent.

Zum Glück sind wir in Österreich da viel weiter. Oder doch nicht? Die Politik brüstet sich jedenfalls gerne damit, Maßnahmen in der Krise auf Basis wissenschaftlicher Expertise zu setzen. Leider entspricht das nicht immer den Tatsachen. Das Corona-Beratungsgremium GECKO löste sich jüngst auf. Eine gewisse Unzufriedenheit mit den Handlungen der Regierung war nicht zu überhören. Auch bei den Aktivitäten gegen die Teuerung mahnten viele Experten mehr Treffsicherheit ein – doch Schwarz-Grün setzte hauptsächlich auf die Gießkanne. Und nun will der Gesundheitsminister die Datennutzung aus dem Mutter-Kind-Pass verbieten.

Man kann der Regierung zugutehalten, dass sie wenigstens dem Ansturm noch populistischerer Ideen widerstanden hat. So würden etwa Gewerkschaft und Arbeiterkammer den Personalmangel der Wirtschaft gerne durch weniger Arbeiten lösen. Steigende Inflationsraten wurden lange als Hirngespinst der neoliberalen Kaputtsparer abgetan. Als sich die Teuerung nicht mehr leugnen ließ, sollte sie ausgerechnet durch Stimulation der Nachfrage eingefangen werden. Erdoğan lässt grüßen. Als sich die Inflation nicht mehr leugnen ließ, wurden kurzerhand die Schuldigen bei der Wirtschaft gefunden. – und nicht etwa die Zentralbank und nationale Regierungen, die fröhlich Geld verteilt haben. Als Lösung müsse man jetzt einfach möglichst viele Preise staatlich festlegen, so wie einst im Kommunismus. Auch der kommt in Österreich ja offenbar wieder in Mode.

Mit diesem Wirtschaftspopulismus werden wir sicher nicht aus der Krise kommen. Diese Politik kreiert gerade die nächste Krise.

Hanno Lorenz ist Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria

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