Warum die Europawahl den Parteien nicht egal sein sollte

Warum die Europawahl den Parteien nicht egal sein sollte
Das Interesse in Österreich ist ähnlich hoch wie 2019 und die EU-Skepsis sinkt. Ein Gastkommentar von Paul Schmidt.

In eineinhalb Monaten sind Wahlen zum Europäischen Parlament. Die Parteien bringen sich in Stellung, die Spitzenkandidaten rücken ins Rampenlicht. Zeit für eine Bestandsaufnahme des heimischen EU-Meinungsbildes, in dem sich zwei augenscheinliche Trends bemerkbar machen.

Trend eins: Die Zeiten, in denen die Europawahlen niemanden vor dem Ofen hervorgeholt haben, sind vorbei. Fragt man die Menschen in Österreich, ob sie am 9. Juni ihre Stimme abgeben wollen, so antworten aktuell 54 Prozent laut einer ÖGfE-Umfrage, dass sie das sicher vorhaben, ein weiteres Viertel kann es sich vorstellen. Damit ist die Wahlbereitschaft schon einmal höher als 2019 und die Chance auf eine ähnliche hohe Wahlbeteiligung (59,8 Prozent der Wahlberechtigten) stehen gut.

Warum die Europawahl den Parteien nicht egal sein sollte

Paul Schmidt

Waren 2019 das Klimathema und der Motivationsturbo der Jugend die Hauptursachen für den Anstieg der Wahlbeteiligung um 15 Prozentpunkte, so gibt es heuer bis dato nicht das eine Thema, das die Debatte dominiert. Aktuell sind es eher eine Vielzahl von sich überschneidenden Problemlagen: von der Teuerung über den russischen Krieg gegen die Ukraine, dem Nahost-Konflikt, der Migration bis zum Klimawandel. Wer zur EU-Wahl geht, will mitreden. Wer lieber zuhause bleibt, verliert seine Stimme.

Übrigens ist es auch acht von zehn Befragten wichtig, dass das EU-Parlament direkt gewählt wird. Ein Signal, dass demokratische Mitbestimmung – bei aller Politikmüdigkeit und allem Frust – weiterhin hochgehalten wird.

Trend zwei: Der Beginn einer stärkeren öffentlichen Auseinandersetzung um Europa, verbunden mit einer langsam, aber stetig zurückgehenden Inflationsentwicklung und rückläufigen Migrationszahlen, bremst die Anti-EU-Stimmung. Seit Jahresbeginn ist die Zahl jener, die aus der EU austreten wollen, von 29 auf 23 Prozent, immerhin den niedrigsten Wert seit zwei Jahren, gesunken. Die Mitgliedschaftsbefürworter stellen hingegen konstant eine stabile Zweidrittel-Mehrheit. Der Wert entspricht dem langfristigen Trend, der seit dem Beitritt zur EU vor fast dreißig Jahren – mal mehr, mal weniger – Bestand hat. Ob sich dieses Verhältnis von EU-Befürwortern und -Gegnern auch im Wahlergebnis widerspiegeln wird, hängt nicht zuletzt von der Mobilisierung des jeweiligen Wählerreservoirs ab. Aktuell hat hier die EU-skeptische FPÖ die Nase vorne, was für die anderen, integrationsfreundlicheren Parteien, Motivation sein sollte, ebenfalls die Wahlwerbetrommel zu rühren.

In den kommenden Wochen wird die EU-Debatte noch intensiver geführt werden, auch um jene, die vielleicht noch nicht von der Bedeutung der EU-Wahl überzeugt sind, zur Stimmabgabe zu bewegen. Vor der Wahl ist dabei nach der Wahl: Knapp zwei von drei Befragten sagen, dass sie jener Partei den Rücken stärken wollen, die sie auch bei der Nationalratswahl wählen würden.

Jenen, die die Europawahlen sonst gerne milde belächeln, sollte das Wahlergebnis also auch nicht ganz egal sein.
 

Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

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