Umstrittene Postenbesetzungen: Wo ist der Bundespräsident?

Umstrittene Postenbesetzungen: Wo ist der Bundespräsident?
Alexander Van der Bellen kann einen Regierungsvorschlag korrigieren. Ein Gastkommentar von Stefan Brocza.

Nach Monaten des Stillstands ist es jetzt also so weit: ÖVP und Grüne haben sich darauf geeinigt, wer künftig das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) leiten sollen. Für beide Posten sollen übrigens nicht die Erstplatzierten zum Zug kommen, sondern beim BVwG der drittplatzierte Bewerber und bei der BWB die zweitplatzierte Bewerberin. Der Unmut ist dementsprechend groß. Von Klüngelei und Postenschacher ist die Rede. Da überrascht es nicht, dass etwa die Bestqualifizierte und nicht zum Zug kommende Erstgereihte am BVwG im Interview mit dem KURIER schon mal über mögliche Schadenersatzforderungen spricht.

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Bei all dieser Diskussion wird aber konsequent eines außer Acht gelassen: Die Bundesregierung nominiert zwar für diese Positionen, ernannt werden sie aber immer noch vom Bundespräsidenten. Artikel 134 Absatz 3 der von ihm so geliebten Verfassung bestimmt, dass er den Präsidenten des BVwG ernennt. Bei der BWB findet sich die korrespondierende Bestimmung in Artikel 6 Wettbewerbsgesetz: Der Generaldirektor für Wettbewerb wird vom Bundespräsidenten ernannt.

Erstaunlicherweise schweigt das Staatsoberhaupt zu den aktuellen Personalentscheidungen der Bundesregierung. Im Mai hat er noch auf eine rasche Besetzung im BVwG gedrängt. Jetzt, wo die Entscheidung gefallen ist und die bestgereihte und bestqualifizierte Frau frech übergangen wird, schweigt Alexander Van der Bellen. Dabei liegt es in seiner Hand, zu entscheiden. 2019 blockierte er – wegen parteipolitischer Bedenken – die Ernennung von drei ranghohen Offizieren. Er unterschrieb einfach nicht. Warum also nicht auch jetzt? Offensichtlich melden sich bei Van der Bellen aber immer nur dann politische Bedenken, wenn sie auch in sein Weltbild passen. 2019 waren es Personalentscheidungen vom damaligen FPÖ-Verteidigungsminister Kunasek. Die jetzt anstehenden Ernennungen sind jedoch Ergebnis einer Grünen Regierungsbeteiligung, basierend auf einem Sideletter geschlossen zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler zur Aufteilung der Posten in einer türkis-grünen Regierung. Da kann man schon auch mal über seine eigenen hohen politischen Ansprüche ins Grübeln kommen. Kein Bundespräsident ist gezwungen, sich sklavisch an die Vorschläge zu halten, die ihm von einer Bundesregierung vorgelegt werden. Thomas Klestil hat sich etwa nicht an die Reihung bei der Ernennung von Verfassungsrichtern gehalten, sondern frei aus dem jeweiligen Dreiervorschlag ausgewählt. Heinz Fischer hat sich bis zum Ende seiner Amtszeit geweigert, das „Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern“ an H. C. Strache zu verleihen, trotz Ministerratsbeschluss aus dem Jahr 2012. Was hindert also Alexander Van der Bellen daran, eine falsche Entscheidung der Bundesregierung zu korrigieren?

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

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