So verhindern wir den nächsten Lockdown

So verhindern wir den nächsten Lockdown
Wer sich allein aufs Impfen verlässt, ist verlassen

Wir wollen unser Leben zurück, unsere Freiheit, das Lachen. Die Freude, Eltern und Großeltern zu umarmen. Die Unbekümmertheit, im Gastgarten zu sitzen. Die Gewissheit, ohne Turbulenzen in den Urlaub zu fliegen. Das ist möglich. Es muss möglich sein, weil die Menschen ihre Sanftmut verlieren. Die Akzeptanz, die Maßnahmen mitzutragen, schwindet mit jedem Tag mehr. Jeder hat es satt, bevormundet zu werden.

Im Spannungsfeld zwischen medizinisch gefordertem Allgemeinwohl und ökonomisch kalkulierter Endzeitstimmung sind die Nerven zerrieben. Aber die Zeit von Überdruss und Depression kann im Nu vorbei sein. Testen und Impfen sind die Lösung. Das gesellschaftliche Rezept, um sich mit dem Virus gutzustellen.

Denn eines ist klar: Wir werden noch länger mit Corona leben müssen, so oder so. Die Teststrategie in Österreich kann sich sehen lassen und gilt als Paradestück im weltweiten Vergleich. Klar, das Contact Tracing muss besser laufen, zumal die technischen Möglichkeiten da sind. Allerdings gibt es keinen Schulterschluss in der Politik, keinen überparteilichen Zugang. Ich lebe in der Schweiz und kann die Dinge mit der nötigen Distanz betrachten. Und da zeigt sich: Dezentrale Strukturen sind bei der Bewältigung einer Pandemie kontraproduktiv. Was es braucht, sind die zwei Ks: Kooperation und Koordination. Nur wer zusammenarbeitet, hat die Herde hinter sich.

Das Wort Lockdown hat mittlerweile den Wohlklang einer Gallenoperation. Nichts ist so mühsam und vor allem so teuer, als wenn der Rollbalken runterfährt und das ganze Land in Deckung vor Ansteckung geht. Schockstarre trifft Schlendrian. Öffnen, schließen, öffnen, schließen. Für die Bevölkerung ist das nicht nachvollziehbar. Die Verlängerung eines Lockdowns kommt aber dem Eingeständnis gleich, dass wir uns alle falsch verhalten haben. Weil die Infektionsrate steigt und das Schreckgespenst der Sieben-Tage-Inzidenz herumspukt. Der Ausweg besteht in regelmäßigem Testen. Der Profisport macht’s vor: Durch regelmäßiges Testen in Verbindung mit Contact Tracing kann man Neuansteckungen rasch Richtung null senken. Immer mehr Unternehmen liegt viel daran, betriebliche Teststrategien auszubauen und die Durchimpfungsrate zu steigern.

Meine 89-jährige Mutter wurde am Sonntag geimpft, und wir alle waren sehr glücklich. Impfmuffel sind keine bösen Menschen, sie haben ihre Gründe. Die Politik versucht, sie umzustimmen. Jetzt lassen sich Berühmtheiten medienwirksam in den Oberarm piksen, als bräuchte es dafür Werbeträger. Aus der verhaltensökonomischen Evidenz wissen wir, dass das nur bei Menschen etwas bringt, die sich ohnehin schon entschieden haben. Impfen ohne Testen ist kein Ausweg aus der Pandemie. Wer sich allein aufs Impfen verlässt, ist verlassen. Die Politiker, die beides zu einen verstehen, das Impfen und das Testen, werden die sein, die das Licht am Ende des Tunnels bringen.

Gerhard Fehr ist Verhaltensökonom und CEO von FehrAdvice & Partners.

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