Russischer Judenhass

Russischer Judenhass
Wie Hitlers angebliche Herkunft als Propaganda-Waffe dient

„Es ist ein Irrtum.“ schrieb Konrad Heiden 1935/36 in der ersten Biografie Adolf Hitlers über Vermutungen, der „Führer“ habe jüdische Ahnen. Der Hitler-Gegner Heiden hatte genauer recherchiert als manch Autor nach ihm. Trotzdem hielt sich das Gerücht bis nach 1945. Ein Urheber ist Hans Frank, ehemaliger Anwalt Hitlers und 1939–1945 Generalgouverneur des besetzten Polen.

Wie andere hohe Nazis versuchte er sich den Alliierten mit „geheimen Informationen“ anzudienen um seinen Hals zu retten. 1945/46 verfasste Frank „im Angesicht des Todes“ eine Denkschrift, in der er behauptet, Hitlers Vater Alois sei das uneheliche Kind der Maria Anna Schicklgruber (1795-1847) und eines jüdischen Kaufmanns namens Frankenberger, bei dem sie Dienstmagd in Graz gewesen sei. Nun gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt keine niedergelassenen Juden in Graz und Maria Anna ist auch nie dort gewesen. Warum hätte ein Waldviertler Mädchen in die entfernte Steiermark in Dienste gehen sollen? Sollte der aus Karlsruhe stammende ortsunkundige Frank Graz mit dem unweit von Anna Maria Schicklgrubers Heimat liegenden Ort Gratzen im Bezirk Budweis, heute Nové Hrady in Tschechien, verwechselt haben? Frankenbergers gab es dort zuhauf, Juden waren sie allerdings nicht.

Hitlers Nervosität in Sachen Herkunft lag vor allem daran, dass er nicht wusste, welcher von zwei in Frage kommenden Hiedlers sein Großvater war, was sich im Ahnenpass des „Führers“ nicht gut machte. Hans Frank wurde 1946 als einer der Hauptkriegsverbrecher hingerichtet, doch das von ihm verbreitete Gerücht blieb am Leben. Selbst an Hitler sollten die Juden noch schuld sein. Sergej Lawrow erwähnt das angeblich „jüdische Blut“ Hitlers und verwirrt uns damit, da wir im Westen mit dem dabei transportierten Antisemitismus automatisch den Nationalsozialismus verbinden. Doch Lawrow braucht keine Nazis, um Antisemit zu sein, denn nationalbolschewistische Staatsideologen wie Alexander Prochanow und Alexander Dugin befördern den genuin russischen rassischen, religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Antisemitismus, der so alt ist wie die russische Staatlichkeit. Im Zarenreich (dessen Geheimdienst die „Protokolle der Weisen von Zion“ erfunden haben dürfte) tobten Pogrome, die viele Juden dazu brachten, immer weiter gen Westen zu flüchten. Mein Vater wuchs in den 1920er und 30er Jahren in Wien-Brigittenau mit galizischen Juden auf, die vor dem russischen, ukrainischen und polnischen Antisemitismus geflüchtet waren. So können KGB-Veteranen wie Putin oder Patriarch Kyrill in ihrer kruden Mischung aus Links- und Rechtsextremismus ihrem Volk „Entnazifizierung“ zugleich mit Judenhass predigen.

Martin Haidinger ist Historiker und ist u. a. Co-Autor des Buches „Unser Hitler.“ Er verantwortet das „Salzburger Nachtstudio“ auf Ö1.

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