Pressefreiheit schützen, nicht schlechtreden

Pressefreiheit schützen, nicht schlechtreden
Gedanken zum Ranking von „Reporter ohne Grenzen“

In der vergangenen Woche sorgte die Veröffentlichung des aktuellen Pressefreiheitsindex der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ für erhebliche Aufregung in den Medien und der Politik. Sogar Bundespräsident Alexander van der Bellen meldete sich mahnend zu Wort und forderte, dass Österreichs Abwärtstendenz nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt werden müsse.

Denn Österreich büßte in diesem Ranking 14 Plätze ein und findet sich nunmehr auf Rang 31, hinter Ländern wie den Seychellen (Platz 13) und Osttimor (Platz 17), wo kritisch berichtende Journalisten immer noch unter Hausarrest gestellt werden. Bemängelt wurde etwa, dass Österreich als eines der wenigen europäischen Länder immer noch nicht über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügt – zu Recht. Der Verband Österreichischer Zeitungen fordert ein solches Gesetz schon seit 2002.

Als weitere Gründe für Österreichs „Absturz“ werden Beschimpfungen und Übergriffe auf Journalisten bei den Corona-Demos angeführt. Verunglimpfungen von Journalisten, die während der Pandemie zugenommen haben, sind nicht zu tolerieren. Zugleich sollte aber auch berücksichtigt werden, dass es sich dabei um ein europaweites Phänomen handelt und es in vielen anderen Ländern zu deutlich heftigeren Attacken – sogar Mordanschlägen – gekommen ist.

Wie diese Bewertung, die angesichts der genannten Beispiele nicht verhältnismäßig erscheint, zustande kommt, ist allerdings unklar. Weder die 20 Personen, die in Österreich zur Pressefreiheit befragt wurden, noch der Fragenkatalog sind veröffentlicht worden. Eine Maßnahme, die in Osttimor nachvollziehbar erscheint, hierzulande wohl weniger. Auch in diesem Fall würde Transparenz die Glaubwürdigkeit stärken, und eine deutlich größere Zahl an Befragten einen repräsentativen, fairen öffentlichen Diskurs ermöglichen.

Wenngleich „Reporter ohne Grenzen“ selbst einräumt, dass die diesjährigen Werte wegen der geänderten Erhebungsmethode nicht mit jenen des Vorjahres vergleichbar sind, so werden dennoch im gleichen Atemzug die österreichische Medienbranche und ihr Umfeld schlechtgeredet.

Im Zuge der Veröffentlichung suggerierte der Repräsentant von „Reporter ohne Grenzen Österreich“ gar, die Branche brauche eine „Mutinjektion“. Österreichs Journalistinnen und Journalisten sind weitaus mutiger, unabhängiger und kritischer, als so manche Stellungnahme der vergangenen Tage nahelegte.

Kein Zweifel: Medienpolitische Reformen (Stichwort: öffentliche Werbeschaltungen) sollten rasch umgesetzt werden. Presse- und Meinungsfreiheit müssen auch in europäischen Demokratien täglich aufs Neue verteidigt werden, allerdings nicht mit intransparenter Pauschalkritik und dem Wechseln politischen Kleingelds.

Gerald Grünberger ist Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ).

Kommentare