Politik und Unternehmen – ein ehrliches Verhältnis

Politik und Unternehmen – ein ehrliches Verhältnis
Abgeordnete sind auf ein breites Netzwerk angewiesen, um nachhaltig gestalten zu können

Viel ist in der letzten Zeit darüber diskutiert worden, welche Kontakte Abgeordnete, MinisterInnen und FunktionärInnen mit VertreterInnen der Wirtschaft haben dürfen und welcher Art diese sein sollten.

Aus langjähriger Erfahrung aus der parlamentarischen Arbeit möchte ich eines vorweg festhalten: Ohne Kontakte mit Betroffenen – das heißt: Betrieben, RepräsentantInnen von Berufsgruppen, SozialpartnerInnen, Dienststellen, Behörden oder Ähnlichen – bleibt Politik „blinde“ Schreibtischpolitik.

Klar ist, dass Abgeordnete Fachleute eines bestimmten Gebietes sein sollen und es in der Regel auch sind. Diese Kompetenz reicht jedoch nicht, um politisch nachhaltig zu gestalten, das heißt umsetzungsstark zu agieren und zu entscheiden – mit größtmöglicher Reichweite.

Dazu kommt, dass politische Entscheidungen weit über das eigene Fachgebiet hinausgehen (müssen) und Abgeordnete z. B. über Themen und Materien Abstimmungsverantwortung übernehmen, bezüglich derer sie auf die Expertise anderer vertrauen. Auch das noch so sorgfältige Lesen von Entwürfen und Anträgen ändert daran nichts.

Der Austausch und die Einbettung in ein gutes und vielfältiges Kontaktnetzwerk hilft dabei, den Erfahrungs- und Meinungshorizont zu erweitern und die Argumente-Vielfalt prüfen zu können.

Kein politisches Feld ist davon ausgenommen. Gesprächs- und in manchen Fällen auch Verhandlungspartner sind dabei VertreterInnen von Pflege- oder Forschungs-Organisationen, LehrerInnen-Gewerkschafter, RepräsentantInnen von Gewerbe und Industrie, von Kunst und Kultur, von Leitbetrieben, Umweltverbänden usw.

In vielen Fällen entstehen dauerhafte Arbeitsbeziehungen, die über kurze Wege wie Mails, SMS-Nachrichten gepflegt werden – letztlich zum beiderseitigen Nutzen. Diese Kontakt- und Beziehungspflege, diese Netzwerke gibt es in allen politischen Parteien; wer von der Oppositionszone heraus heuchelt, ist durchschaubar.

Fänden sich in den Parlaments-Klubs viele Abgeordnete ohne Kontakt- und ExpertInnen-Netzwerk, so müssten die Partei- und Klubobleute beginnen, sich Sorgen zu machen…

Wo darf die Abgeordnete oder der Minister helfen, intervenieren? Vor allem Abgeordnete (aller Couleur) aus den Bundesländern nützen die Tage rund um die Sitzungstermine in der Hauptstadt, um in der Zentralstelle/im Ministerium vorzusprechen und einem Projekt vor der Haustür Nachdruck zu verleihen. Im Fall einer beschleunigten Umsetzung lässt sich zu Hause dafür ein Erfolg verkaufen.

Dass in diese Beziehungen manchmal falsche Erwartungen von einzelnen gelegt werden, versteht sich von selbst – nach dem Motto „ich kenn’ doch den Abgeordneten X und den Minister Z, da werde ich doch….“.

Und Wichtigmacher sterben auch nicht aus. In Summe ist das Bewusstsein bezüglich Korruptionsvermeidung in den letzten Jahren gestiegen; fruchtbringende und zukunftsorientierte politische Entscheidungen sollen jedoch nicht durch falsche Skrupel behindert werden.

Gertrude Brinek ist Bildungswissenschaftlerin und langjährige ÖVP-Politikerin. Bis 2019 fungierte sie als Volksanwältin.

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