Lange Parlamentsferien: Ein Politikerurlaub wie damals

Lange Parlamentsferien: Ein Politikerurlaub wie damals
Lange Sommerferien für Politiker international durchaus üblich. Ein Gastkommentar von Melanie Sully.

Winston Churchill liebte es, ausgedehnte Sommerurlaube an der Côte d’Azur zu verbringen. Dort lockte das Casino und Aquarelle ließen sich am Mittelmeer ebenso viel besser malen, als in den dunklen Korridoren der Macht in London. Labour-Premier Harold Wilson wiederum verbrachte lange Sommer auf den entlegenen britischen Scilly-Islands. In kurzen Hosen und Sandalen posierte er für Fotos mit Möwen auf den Felsen.

Damals gönnte man den Politikern noch etwas. Damals genossen Politiker auch hohes Ansehen. Das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her. Mittlerweile sind die kritischen Stimmen lauter. Immer wieder gab es Forderungen – etwa von BZÖ und Grünen – die Parlamentsferien zu kürzen. Politiker würden auf Urlaub gehen, Krisen aber nicht, so das Argument. Man denkt an die Ermordung Franz Ferdinands in Sarajewo, den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, an die ČSSR 1968 oder an den Augustputsch gegen Gorbatschow, ganz zu schweigen von Naturkatastrophen, die häufig im Sommer passieren. Viele Staaten haben Krisenstäbe eingerichtet, die nicht am Strand weilen. Dass es jedoch trotz dieser Art „Politfeuerwehr“ nicht immer funktioniert, hat die Afghanistan–Krise im Jahr 2021 gezeigt: Sowohl der britische Premierminister, als auch sein Außenminister und hohe Beamte waren auf Urlaub.

Dennoch sind lange Sommerferien für Politiker international durchaus üblich. Die sitzungsfreie Zeit des Deutschen Bundestags beträgt rund acht Wochen, jene der Parlamente Belgiens und Dänemarks etwas länger. Die griechischen Parlamentsferien dauern drei Monate und werden zwischen den 300 Abgeordneten aufgeteilt. Demnach verfügt jeder über zwei Monate Urlaub.

In Österreich soll die tagungsfreie Zeit des Nationalrats acht Wochen dauern – muss aber nicht. Außerordentliche Tagungen können stattfinden und Ausschüsse bei Bedarf einberufen werden. Das gilt diesen Sommer – aufgrund der Teuerung – für den Sozialausschuss. SPÖ und FPÖ wollten mehr Ausschüsse von der tagungsfreien Zeit ausnehmen, fanden dafür aber keine Mehrheit. Der Bundesrat tagt ohnehin in Permanenz, was nicht heißt, dass die zweite Kammer permanent tagt.

In den USA sollen Politiker in ihren Wahlkreisen „Sommerarbeit“ erledigen. Ebenso in Großbritannien, wo sich viele Abgeordnete unters Volk mischen, insbesondere, wenn eine Wahl ante portas steht.

Lange Ferien für Parlamentarier können aber gerechtfertigt werden. Die sitzungsfreie Zeit wird an die Schulferien angepasst, um ein Parlament familienfreundlich zu gestalten. Wird in Großbritannien kurzfristig eine Sondersitzung im Sommer einberufen, so erhalten Abgeordnete finanzielle Unterstützung für die Rückreise, damit deren Kinder nicht alleine am Urlaubsort bleiben müssen.

Am Ende des Tages hängt die Qualität der Gesetze jedenfalls nicht nur von der Zahl an Sitzungstagen des Parlaments ab.

Melanie Sully ist Politologin und leitet das in Wien ansässige Institut für Go-Governance.

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