Kickls Kampf der Kulturen

NATIONALRAT: KOGLER / NEHAMMER / KICKL
FPÖ gegen alle: Wir stehen vor der brutalsten Wahlschlacht. Ein Gastkommentar von Daniel Witzeling.

Die FPÖ schießt sich aktuell mit voller Wucht auf den ORF ein. Das nicht ohne Grund. Sind doch beide Akteure im Welt- und Wertbild mehr als invers kompatibel. Während man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dem rechten Auge mehr als gar nicht blind ist, war die Berichterstattung bei den Corona-Maßnahmen und anderen gesellschaftsrelevanten Themen in den Augen nicht weniger im Sinne einer wissenschaftlich „einseitig“ gerichteten Hypothese ausgelegt. Dies sind neben einer demonstrativ zur Schau gestellten politischen (Schein-)Korrektheit sowie der damit assoziierten im- und expliziten Haltung zur Migrationsthematik elementare Trümpfe im so sicher nicht beabsichtigten erneuten Aufstieg der FPÖ.

Corona, Ukraine-Krieg, Inflation sowie Migration sind eine gefährliche Mischung, die einen Kanzler Kickl nicht mehr unmöglich scheinen lassen. Analog zum ORF verhält es sich in den Ministerien, in denen die Freiheitlichen nicht unbedingt immer auf ideologische Gegenliebe stoßen. Hier treffen Typologien und manifeste Machtinteressen aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.

Kickls Kampf der Kulturen

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

Es kommt bei einer Kanzlerschaft der FPÖ zu einem wahren Kampf der Kulturen. 2024 wird zweifelsfrei eine der wenn nicht die brutalste Wahlschlacht um unsere schöne Alpenrepublik. Es geht um Geld, Macht und Posten. Fest steht, dass sich das bisherige, wie es die Blauen so gerne titulieren „Establishment“, bestehend aus Vertretern der Volkspartei in Koalition mit den Grünen sowie Relikten der Sozialdemokratie, nicht so einfach von den Schalthebeln substituieren lassen wird.

Die FPÖ hat schon mehrmals zum großen Sprung auf die Zentralen der Macht angesetzt. Sie ist jedoch bisher immer aufgrund ihrer mangelnden politischen Reife – nicht in Bezug auf das Alter der Bewegung – und Entwicklung sowie der damit verbundenen Qualität des Personals und den mangelnden Humanressourcen gescheitert.

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Die Frage ist, welche Lehren die Freiheitlichen aus den vergangenen flüchtigen Regierungsbeteiligungen gezogen haben. Die Menschen interessiert der Konflikt zwischen der FPÖ und dem ORF sowie politischen Gegnern weniger. Sie ziehen mentale Bilanz und entscheiden sich in einer Mischung aus Kognition und Emotion. Mittlerweile ist leider bei einer beträchtlichen Anzahl der Bürger ein Punkt erreicht, bei dem keine kognitive Dissonanz in Bezug auf die Bewertung der Arbeit der Bundesregierung und von vielen Medien sowie deren für diese Wählergruppe falschen Fokus existiert.

Herbert Kickl ist ohne positive Zukunftsvisionen Nutznießer einer etablierten Kaste, die bei ihrer thematischen Musikauswahl nicht auf große Teile des Publikums eingeht. Der rechte Parteichef kann nur mehr über seine Defizite und die seines Personals stolpern.

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

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