Ein seriöserer Umgang mit EU-Themen ist höchst notwendig

Karl Nehammer beim Hochwassergipfel in Polen im September
In Sachen Renaturierung und Hochwassergelder gab es zuletzt Verwirrung. Ein Gastkommentar von Stefan Brocza.

Eine angekündigte EU-Nichtigkeitsklage, die dann doch nicht eingebracht wird, eine Ministerin, die im EU-Rat abstimmt, wie es ihr gefällt, und ein trotziger Bundeskanzler, der darauf besteht, 500 Millionen Euro zu bekommen, die ihm die EU-Kommissionspräsidentin seiner Meinung nach bei einem Treffen in Polen versprochen hätte. Jedes dieser Ereignisse wirft die grundlegende Frage nach der Ernsthaftigkeit im Umgang mit EU-Themen auf.

Nach drei Jahrzehnten EU-Mitgliedschaft sollte man erwarten können, dass Österreichs politische Klasse gelernt hätte, was europapolitisch und europarechtlich geht und wie Brüssel funktioniert. Insbesondere die letzten Monate haben daran jedoch Zweifel aufkommen lassen.

Lässt man einmal die aufgeheizte Stimmung vor einer Wahl außer Acht, muss man feststellen, dass es beim Umgang mit EU-Themen an zwei Dingen krankt: An grundlegenden inhaltlichen Kenntnissen und am bestehenden innerstaatlichen Regelwerk. Sowohl politische Mitbewerber wie auch Medien lassen viel zu viel inhaltlich durchgehen. Falsche Aussagen und Behauptungen wären als solche aufzuzeigen und richtigzustellen. Das kann im Einzelfall mühsam sein, sollte aber außer Streit stehen. Und was die Regeln angeht: Die kann und sollte man rasch ändern.

Ein seriöserer Umgang mit  EU-Themen ist höchst notwendig

Stefan Brocza

Aktuell ist die regierungsinterne Koordinierung von EU-Angelegenheiten auf drei Ministerien aufgeteilt: Karoline Edtstadler, Alexander Schallenberg und Werner Kogler sind gemäß Bundesministeriengesetz damit betraut, die einheitliche Position Österreichs für all die Dinge zu erarbeiten, die in Brüssel diskutiert werden und auf ihre Erledigung warten. Dazu kommen in jedem Ministerium teils beachtliche EU-Abteilungen, die ihrerseits inhaltliche Positionen erarbeiten und im tagtäglichen Brüsseler Verhandlungsmarathon inhaltlich vertreten müssen. Hier besteht Reformbedarf. Die Abläufe müssen gestrafft und Kompetenzen klarer geregelt werden. Bereits vor vielen Jahren hatte der Rechnungshof gefordert, dass das Außenministerium seine Rolle als Briefkasten und reine Durchlaufstelle in EU-Belangen überdenken sollte und sich endlich eigene inhaltliche Themenbereiche suchen möge. Das Weiterleiten und Zusammenfassen von Positionen anderer Ministerien sei nicht mehr zeitgemäß. Geschehen ist seitdem nichts. Zu stark sind die Beharrungskräfte der österreichischen Berufsdiplomaten.

Auch die Tatsache, dass das Abstimmen im EU-Ministerrat ein Akt der Gesetzgebung ist, wurde erst wieder im Falle der EU-Renaturierungsverordnung deutlich. Dem ist mit dem bestehenden Bundesministeriengesetz, das bekanntlich die Vollziehung regelt, nicht beizukommen. Die nun beginnenden Koalitionsverhandlungen und die darauf hoffentlich folgende Bildung einer neuen Bundesregierung wären jedenfalls eine gute Gelegenheit, den Umgang mit EU-Themen auf ein neues, tragfähiges Fundament zu stellen. Was angesichts von künftig wohl drei Regierungsparteien, die alle mitreden wollen, sicher nicht einfacher wird.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen

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