Ein Nein bleibt ein Nein!

Eine Weigerung des Opfers reichte jüngst in einem Vergewaltigungsprozess nicht für eine Verurteilung
Auch ohne ausdrückliches Nein ist eine sexuelle Handlung zu unterlassen, wenn dem Täter erkennbar war, dass diese unerwünscht ist. Die Ablehnung muss nicht nur nicht in Worte gefasst werden, sondern kann auch nonverbal, etwa durch Wegdrehen oder Teilnahmslosigkeit, ausgedrückt werden. Laut der jüngsten Urteilsbegründung in einem Vergewaltigungsprozess scheint es aber so, als sollten diese Grundsätze nun gerade für eine zum Tatzeitpunkt erst 12-Jährige nicht gelten. Das Mädchen wurde Medienberichten zufolge von mehreren Jugendlichen vergewaltigt bzw. sexuell missbraucht. In dem jetzt im Jänner abgeurteilten Fall gab es erneut einen Freispruch. Ein jetzt 17-Jähriger soll das Mädchen in einem Parkhaus zum Oralsex „gebracht“ haben. Der Bursche, so die Staatsanwältin, habe auf das Mädchen eingeredet, mit ihm Sex zu haben und am Kopf erfasst. Insofern sei „das Gewaltelement erfüllt“.

Katharina Braun
Die Richterin soll den Freispruch damit begründet haben, dass man sich nach einem Nein oft durch Zärtlichkeiten zum Sex überreden lässt. Dies sorgt für breites Unverständnis. Ein sehr junges Mädchen sieht sich mehreren Burschen gegenüber, die älter als es sind. Sie alle besitzen demütigendes Foto- und Filmmaterial, mit welchem sie das Mädchen zu weiterem Sex zwingen. Das Opfer war also einer einschüchternden, sehr feindseligen und es aufs Schlimmste demütigenden Umgebung ausgesetzt.
Die in den Medien geschilderten Erfahrungen haben rein gar nichts mit „liebevoll“ oder „zärtlich“ zu tun. Auch ein Loverboy, also ein Mann, der junge Mädchen mit u. a. (gespielten) lieben Worten verliebt macht, um sie der Prostitution zuzuführen, bleibt ein schäbiger, mieser Zuhälter. Die gegenständliche Urteilsbegründung, so wie diese medial von der Justiz unkommentiert kolportiert wird, wird von vielen als Richtungswechsel in der Rechtsprechung dergestalt verstanden, dass es nun zur Legitimierung eines von der Frau nicht gewollten Sex ausreicht, im Nachhinein zu behaupten, die Frau habe sich halt dann irgendwie „überreden“ lassen. Derartiges dachten wir Frauen doch nun wirklich längst überwunden zu haben. Bei dem rezenten Freispruch räumte der Bursche selbst ein, zu wissen, einen Fehler gemacht zu haben. Er habe das Mädchen aber nicht vergewaltigt; sondern in der sexuellen Selbstbestimmung verletzt und überreichte als „Wiedergutmachung“ bei Gericht der Rechtsvertretung des Mädchens aus seiner Hosentasche zwei 50-Euro-Scheine.
Diese Handlung stellt eine weitere schlimme Demütigung dar (die Mutter im KURIER: „Als hätte er meine Tochter für ihre Dienste bezahlt.“). Dies hätte das Gericht unterbinden müssen. Hier wäre eine Entschuldigung der Justiz angebracht.
Die Französin Gisèle Pelicot prägte zuletzt den klugen Satz: „Die Schande muss die Seite wechseln.“ Diese liegt in diesem Fall ganz und alleine bei den Burschen.
Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien
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