Das Ende aller Sicherheiten?

Das Ende  aller Sicherheiten?
Corona verursacht eine tiefe Krise. Nutzen wir sie

Was waren das für Zeiten, als man noch sicher wusste, dass man eine geplante Urlaubsreise auch antreten kann. Dass ein Baumeisterangebot hält und das Eigenheim am Ende nicht doppelt so viel kostet, weil die Baustoffpreise explodieren. Dass die Kinder fünf Tage der Woche in die Schule gehen, man selbst einen Arbeitsplatz hat und am Wochenende Freunde und Familie sehen kann.

Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass sich immer mehr unserer „Lebenssicherheiten“ in Luft auflösen. Unser Österreich des Wohlstands und der Lebensqualität scheint ein sehr fragiles Gut zu sein, denn plötzlich dominieren Resignation, Existenzangst und Aggression. Innerhalb kürzester Zeit ging eine tiefe Spaltung durch unsere Gesellschaft, angeheizt durch halbstudierte Oppositionspolitiker mit ihren Entwurmungstipps für Querdenker.

Europaweit haben Regierungen hingegen den emotionalen Draht zu den Menschen verloren, weil sie eher mit Inzidenzzahlen um sich werfen, anstatt Lebensrealitäten zu spüren. Sie plädieren für Eigenverantwortung, müssen dann aber ohnehin die Gesetzeskeule schwingen, um das Schlimmste zu verhindern. Monatelang wurde also in Österreich fürs freiwillige Impfen geworben, um es nun zwangsweise durchzusetzen. Gerade löst sich nämlich die nächste Sicherheit in Luft auf – jene der verlässlichen medizinischen Versorgung, wenn etwas passiert. Inzwischen weiß wohl ziemlich jeder, was „Triage“ bedeutet und dass man derzeit besser keinen Herzinfarkt haben sollte.

Wer will in diesen Zeiten Klimaschutz-Aktivist sein und Menschen für eine gesunde Umwelt emotionalisieren, wenn diese ganz andere Sorgen haben. Neben der an Covid-19 zu erkranken, wären da noch eine Inflation, die im November auf über 4 % stieg, oder ein Plus von 10 % bei Immobilienpreisen allein im 3. Quartal mit dementsprechend steigender Verschuldung für die eigenen vier Wände.

Der besser verdienende Mittelstand gerät groteskerweise am meisten unter Druck. Er ist der große Konsum-Motor, geht regelmäßig in Restaurants, kauft Mode und Elektronik, macht Urlaub in Österreich. Um die hohen monatlichen Fixkosten weiter stemmen zu können und die Annehmlichkeiten des Alltags, muss er immer tiefer in die Tasche greifen. Und so sitzen wir sozial distanziert in unsere Homeoffice-Höhlen und rennen ausbrennend einem Lebensstil nach, der sich immer mehr überholt. Seit zwei Jahren hat also Corona als Geiselnehmer das Steuer fest im Griff und wir trudeln von einem Lockdown in den nächsten. Das kann man mit Resignation quittieren, oder stattdessen weiterdenken. Ist das Virus vielleicht nur Katalysator für eine Neuaufstellung unserer Art zu leben, zu arbeiten? Ist es eine Neukalibrierung unseres Wertekompasses, indem uns die Pandemiebekämpfung dazu zwingt, die Perspektiven drastisch zu wechseln?

Möglicherweise lässt sich so in all dem Covid-Wahnsinn in dieser Weise doch noch etwas Positives erkennen.

Jürgen Beilein ist Politikberater.

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