Ärzteschaft in der Krise

Ärzteschaft in der Krise
Zu wenige Praxen und Bürokratie sorgen für Verzweiflung

Letzte Woche ist ein Hausarzt aus Wien freiwillig aus dem Leben geschieden. Er war ein beliebter und liebenswürdiger Arzt. Die Bestürzung hat eine Diskussion in Gang gesetzt, die in eine bedenkliche Richtung führt. Viele niedergelassene Allgemeinmediziner fragen sich zunehmend, ob sie den Beruf in der jetzigen Form noch ausüben möchten, bzw. wie lange sie das noch können. Sie fühlen sich überlastet und überfordert mit all den Ansprüchen und Anforderungen vonseiten der Patienten und des Gesundheitssystems. Ich bin seit 25 Jahren Hausärztin, ich liebe meinen Beruf. Ich begleite und betreue meine Patientinnen und Patienten, auch ganze Familien, durch viele Lebensphasen, Erkrankungen, schwierige Situationen, aber auch freudige Ereignisse.

Ich kenne meine Patienten und deren Lebensumstände sehr gut. Leider ist in den letzten Jahren der bürokratische Aufwand immens geworden, wir haben mit unsinnigen Datenschutzbestimmungen zu kämpfen, die Digitalisierung führt zu einer unglaublichen Erhöhung und Beschleunigung des Arbeitsaufkommens.

Die digitale Patientenverwaltung kostet Zeit, ist teuer und die Erwartungshaltung der Patienten ist sehr hoch – nach dem Motto: Alles und sofort!

Aufgrund der Pensionierungswelle wurden viele Ordinationen geschlossen und nicht nachbesetzt. Die Patienten müssen sich auf die verbleibenden Ordinationen verteilen, aber die sind zumeist auch schon am Rande ihrer Kapazität angelangt – und zwar sowohl Einzelordinationen als auch Gruppenpraxen.

Was könnte die Situation entspannen? Wir brauchen wieder mehr Kassenstellen, wir haben eine überbordende Dokumentations- und Aufklärungspflicht, der niemand mehr gerecht werden kann und die viel Zeit in Anspruch nimmt. Wir müssen viele Aufgaben der Spitäler übernehmen, die aufgrund von Überlastung reflexartig alles an die Hausärzte delegieren. Hier fehlt es an einem strukturierten Prozessmanagement in den Spitälern und einem fehlenden Bewusstsein, was alles im niedergelassenen Bereich eben nicht möglich ist.

Und natürlich benötigen wir auch höhere Honorare, da der zunehmende Arbeits-und Kostenaufwand für Digitalisierung und Verwaltung auch abgedeckt werden muss. Wir brauchen dafür mehr Personal, um den Betrieb vorschriftsmäßig und für alle Seiten zufriedenstellend bewältigen zu können.

Zu guter Letzt müssen wir alle leider feststellen, dass der Anspruch seitens der Patientinnen und Patienten immer höher wird, und Forderungen an uns herangetragen werden, die nicht in unser Aufgabengebiet fallen, bzw. die wir aufgrund von Vorgaben der ÖGK nicht erfüllen können. (Das führt auch immer öfter zu Aggressionen, die eine große Belastung für das gesamte Ordinationsteam darstellen.) Auch hier müssen wir Grenzen setzen und aufzeigen.

Martina Malus ist Allgemeinmedizinerin in Wien.

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