Flinke Finger: Die Politiker und ihre Kurznachrichten

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Jedes Schrifterl ein Gifterl, hieß es früher. Nun smsn, chatten, whatsappn die Politiker, was das Zeug hält. Zu ihrem eigenen Schaden
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich Politikserien im Fernsehen bewegen: Sie zeigen Politiker so, wie man sich denkt, dass sie sind, nur halt immer ein bisserl ärger. Ist’s zu viel ärger, wird es unglaubwürdig. Ist’s zu wenig arg, wird es fad. US-Präsident Frank Underwood in „House Of Cards“, der ist genau das richtige Ausmaß an ärger.

In Österreichs Politik hat man es nur leider (oder zum Glück) nicht mit Frank Underwood zu tun, sondern höchstens mit Franz Unterholz. „Halb so wild“ sei das Ibiza-Video, schreibt der Vizekanzler ein paar Stunden, bevor über ihm die politische Welt zusammenbricht, per SMS. „Silberstein?“, schreibt der Kanzler zurück.

Die politische Welt in Österreich, sie ist so enggeführt, wie es immer scheint. Zumindest nach den sicher sorgfältig ausgewählten Kurznachrichten, die nun gerade noch zeitgerecht für den Einsertermin im Ibiza-Untersuchungsausschuss dem Boulevard zugespielt wurden. Die türkisblauen Spitzenkräfte tauschen sich darin am Tag der Videoveröffentlichung aus, und andernorts auch über GIS-Gebühren, Paktfähigkeit, Steuersenkung.

Streng nach der eigenen politischen Scheuklappe wird sich jeder bei der Interpretation dieser SMS gewiss sein: Man kann die Veröffentlichung dieser (höchstens atmosphärisch interessanten) Austäusche als unnötig und skandalös sehen, als ungerechtfertigtes Schlaglicht auf die informellen Bereiche, die Politik zum Funktionieren braucht.

Oder man kann die SMS als Dokumente eines politischen Alltags lesen, der die Öffentlichkeit sehr wohl etwas angeht. Politik lebt von Abtausch und Kompromiss und Deals. Und als Wähler darf man hinter diese Kulissen blicken wollen, ohne gleich die Empörung teilen zu müssen, die immer jene Parteien an den Tag legen, die gerade nicht dran sind.

Man kann aber auch über ganz etwas anderes erstaunt sein, das sich durchaus auch politisch durchschlägt: dass Spitzenpolitik derart ohne Rücksicht auf die banalsten kommunikationstechnischen Vorsichtsmaßnahmen betrieben wird.

Schon zuletzt zeigten sich die Handys von Politikern und ihren Mitarbeitern als permanent aktuell gehaltener Giftschrank. Und man darf sich wundern, dass man den Schlüssel dazu dem politischen Lebensabschnittspartner sorglos in die Hand gibt.

In den USA hat der ungelenke Umgang mit elektronischer Kommunikation Hillary Clinton die Präsidentschaft gekostet. Hierzulande herrscht offenbar quer durch die politische Landschaft ein Urvertrauen oder eine Sorglosigkeit, die zu einem überraschenden Ausmaß an unabsichtlicher Transparenz führt. Politiker sind vieles, Vorbilder im Umgang mit dem Digitalen sind sie offensichtlich nicht. Aber heute im U-Ausschuss bleibt’s eh bei einer analogen Schlammschlacht.

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