EU-Wahl: Die Stärke der Populisten läuft - noch - ins Leere

Auch wenn sie bei der EU-Wahl zulegen: Den Wirtschaftskurs der EU werden die Rechtspopulisten nicht bestimmen.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Unbestreitbar: Nationalistische Kräfte sind in fast allen Mitgliedstaaten der EU auf dem Vormarsch. Und das nicht erst seit gestern. Bei der EU-Wahl vor fünf Jahren errangen europaskeptische Populisten fast ein Viertel der 751 Sitze im EU-Parlament. Dieses Mal könnten Salvini, Le Pen, AfD, FPÖ (bei der der Ibiza-Skandal nur wenig zu Buche schlagen dürfte) und Co. zusammen fast auf ein Drittel der Mandate kommen. So weit, so erwartbar.

Dank ihres größeren Gewichts dürften die Populisten dann zwar Sand ins Getriebe des Europäischen Parlaments streuen, zu Tode fürchten muss man sich deshalb aber nicht. Sie könnten bremsen und blockieren, selbst aber kaum Vorschläge oder Veränderungen einbringen. Denn es käme einem politischen Wunder gleich, wenn es die drei Europa-skeptischen Fraktionen im Parlament dieses Mal schaffen würden, sich zu einer mächtigen populistischen Allianz zusammenzuschließen. Diesen Traum von einer Art „nationalistischen Internationalen“ mag Lega-Chef Salvini träumen – Realitätsgehalt hat er wegen der diametral auseinanderlaufenden Interessen der verschiedenen Populistenparteien kaum.

Rezept für die nächste Wirtschaftskrise

Nur in ihrer Abwehr gegen Migranten und bei ihrer Wirtschaftspolitik ziehen sie an einem Strang. Sie verurteilen den freien Handel, wollen den Staatseinfluss erhöhen, Bankensteuern einführen und die eigene Volkswirtschaft abschotten. Diese seltsam alt-links anmutenden Rezepte der Rechtspopulisten, davon sind nahezu alle Ökonomen überzeugt, würden die EU schnurstracks in die nächste Wirtschaftskrise führen. Möglichkeiten, dies umzusetzen, werden die erstarkten Rechten im Parlament nicht haben – gegen die nicht-populistsche Mehrheit im Plenum werden sie keine Vorschläge durchbringen. Und bei der Besetzung der wichtigsten Posten in der EU, jenem des Kommissionspräsidenten und der Europäischen Zentralbank, werden sie auch nicht mitentscheiden. Entsprechend entspannt lauten die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute: „Vorerst keine signifikanten Veränderungen zu erwarten.“

Langfristig aber wird das Erstarken der europäischen Rechtspopulisten sehr wohl auch den wirtschaftspolitischen Kurs der EU prägen – und zwar über die nationalen Regierungen: Bereits in einem Drittel der EU-Mitgliedsstaaten sind heute Populisten entweder allein oder in einer Koalition am Regierungsruder. Sie wählen aus, wer als Kommissar nach Brüssel geschickt wird. Und in dieser neuen Kommission, die ab November arbeiten soll, werden mehr von Rechtspopulisten entsandte Vertreter sitzen denn je. Die größte Sorge aber gilt vorerst Italien: Nach einem Wahlsieg seiner Lega könnte Innenminister Salvini die Koalition auflösen und Neuwahlen anstreben. Unfinanzierbare Wahlgeschenke würden dann wieder versprochen – in einem schwer verschuldeten Italien, das dem Euroraum ohnehin schon schlaflose Nächte bereitet.

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