EU: Posten oder die Nähe zum „Popolo“

EU: Posten oder die Nähe zum „Popolo“
Die Regierungschefs balgen sich um die Top-Jobs in der EU. Die Populisten sind lieber beim „Volk“.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Besser könnte man die aktuelle Lage der europäischen Politik kaum beschreiben als mit diesen beiden Eindrücken vom Mittwochabend. In der ZiB2 versuchte der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU) zu erklären, warum nur ein Spitzenkandidat, also im Idealfall er selbst nächster Kommissionspräsident werden dürfe.

Kurz vorher konnte man auf Facebook dem italienischen Innenminister Salvini zusehen, wie Politik heute – jedenfalls für eine wachsende Zielgruppe – funktioniert: Vor wackelnder Handy-Kamera polemisierte er eine halbe Stunde lang gegen die EU, die Kirche, Journalisten und die Justiz, und versprach dann niedrigere Steuern und neue Investitionen. Zuseher schickten Herzerln und Postings unter dem Motto:„Du bist unser Führer.“

Matteo Salvini beherrscht seit der Bildung der Regierung mit der 5-Sterne-Bewegung vor genau einem Jahr die Politik seines Landes. Er ist so gut wie nie in seinem Ministerium, sondern immer beim „Volk“ und in den sozialen Medien, zuletzt auch mit einem Gewehr . Bei der EU-Wahl erhielt seine Lega 34 Prozent, bei Parlamentswahlen würde er mit Berlusconi und Neofaschisten eine Mehrheit erreichen.

Auf diese Situation sollten sich nun jene Staatsfrauen und Staatsmänner einstellen, die gerade in Uralt-Manier Jobs aufteilen wollen. Denn ein Ministerpräsident Salvini könnte im EU-Rat jeden Beschluss blockieren. Was er von den europäischen Institutionen hält und wie er sich die künftige Wirtschaftspolitik vorstellt, hat er in seiner jüngsten Facebook-Ansprache auch erklärt: Die Europäische Zentralbank solle einfach Geld drucken, dann werde die Wirtschaft wachsen und die Steuern würden gesenkt.

Mit dem Fax-Gerät in die digitale Welt

Natürlich hat sich Salvini auch über den Klimawandel lustig gemacht, „so kalt war es noch nie im Mai“. Die Unterscheidung zwischen Klima und Wetter ist ihm zu kompliziert, und die Ablehnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist den Populisten ja auch eigen. Aber jene Parteien, die noch an ein friedliches Europa der wirtschaftlichen Stärke und des sozialen Ausgleichs glauben, wird mehr einfallen müssen als Posten aushandeln.

Sie werden auf die neuen Öko-Bewegungen zugehen müssen. Und die CDU sollte ihr Fax-Gerät ins Museum schicken. Eine Sitzung, wo über mögliche Reaktionen auf die Kritik eines YouTube Stars beraten werden sollte, wurde mit der Technik des 20. Jahrhunderts einberufen.

Und noch eines: Die parlamentarische Demokratie ist trotz aller Schwächen das beste bisher erfundene System des Ausgleichs in einer Gesellschaft. Der ÖVP-Spruch „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“ ist unwürdig. Das war hoffentlich nur eine einmalige peinliche Entgleisung und nicht der Versuch, Salvini und Co. zu imitieren.

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