Leider aber sonst nicht. Corona und der Klimaschutz führen uns derzeit nämlich bitter vor Augen, wie komplex, vernetzt und abhängig unsere Wirtschaft und unser gesellschaftliches System ist. Derzeit sogar zur Potenz, weil Corona-Spätfolgen und erste Einschnitte für den Umweltschutz wie die CO2-Bepreisung zeitgleich aufeinanderprallen. Zieht man irgendwo einen Dominostein aus dem System heraus, stürzen weitere Türme ein oder beginnen bedenklich zu wanken. Ein paar Beispiele gefällig? Wenn Deutschland die Atomkraft abschaltet, schwankt Europas Stromnetz bedenklich, Experten warnen vor einem baldigen Blackout.
Wenn Mikro-Chips fehlen, stehen Deutschlands Autoindustrie und Zulieferbetriebe still. Die in Kurzarbeit geschickten Mitarbeiter müssen fürs Heizen im Winter höhere Kosten tragen und wissen nicht wie. In Frankreich werden neue Gelbwesten-Proteste wegen der stark gestiegenen Energiepreise befürchtet. Der seit Corona explodierende Versandhandel verteuert wegen der Milliarden Kartons das Zeitungspapier, auf dem Sie gerade diesen Leitartikel lesen, um das Dreifache. Und weil im Hafen von Los Angeles dafür Containerschiffe im Stau stehen, ist unser Weihnachtseinkauf bedroht. Dann wird’s richtig ernst.
"Haben wir den Mut, die Komplexität anzusprechen"
Alles hängt mit allem zusammen, hat Naturforscher Alexander von Humboldt vor 250 Jahren gesagt. Kanzler Fred Sinowatz wurde 1983 verspottet, weil er meinte: „Es ist alles sehr kompliziert, so wie die Welt, in der wir leben“. Sinowatz hatte recht und muss posthum rehabilitiert werden. Denn er sagte weiter: „Haben wir den Mut, die Komplexität anzusprechen. Es kann perfekte Lösungen für alles und jeden in einer pluralistischen Demokratie nicht geben“. Auch beim Klimaschutz nicht. Schön, wenn Politiker das zugeben.
Wir wollen auf unserem neuen Online-Klimachannel kurier.at/klima Probleme aufzeigen und Lösungen vorstellen. An einer Entflechtung der Welt, die wir künstlich geschaffen haben, an einer Regionalisierung von Produktion und Handel wird aber kein Weg vorbei führen. Die Klimakonferenz im November in Glasgow wird uns die nächsten Schritte weisen – und hoffentlich Corona aus den Schlagzeilen drängen.
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