Erziehung ist nicht retro

Autorität wird von Politikern eingefordert – in der "Zivilgesellschaft" ansonsten aber oft unterschätzt.
Martina Salomon

Martina Salomon

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat diese Woche im KURIER ein fast schon verpöntes Wort in den Mund genommen: Erziehung. Er bekenne sich ganz bewusst dazu – „bei Kindern und manchmal auch bei Erwachsenen“. Respekt, Autorität, Erziehung: Wenn man manche Auseinandersetzungen betrachtet – egal ob im Straßenverkehr oder in sozialen Medien – , dann scheint es da tatsächlich ganz schön viel Luft nach oben zu geben. Die 68er-Generation hat mit gutem Grund starre Hierarchien (in denen sich damals viele Ex-Nazis befanden) aufgebrochen. Und sie versuchte, neue pädagogische Konzepte zu entwickeln, von denen einige fulminant scheiterten.

In der Jetztzeit gibt es zwei gegensätzliche Entwicklungen: einerseits ein großes Bemühen, bei Kindern alles richtig zu machen, inklusive Unsicherheit und hohem Ratgeber-Konsum. Die in Deutschland kürzlich angelaufene und heftig diskutierte Filmdoku „Elternschule. Das Geheimnis guter Erziehung“ thematisiert die komplette Überforderung in Familien. Andererseits herrscht dort oft Nicht-Erziehung. Viele Mütter und Väter schauen lieber auf das Handy statt in das Gesicht ihres Kindes. Diesen Mangel müssen dann Schule und Arbeitgeber – notdürftig – reparieren. Wie in den USA wird es auch bei uns üblich, Arbeitnehmern selbst simpelste Dinge vorzuschreiben. Pünktlichkeit, Grüßen am Telefon, mit Besteck umgehen, dem Anlass entsprechend gekleidet zu sein: So Selbstverständliches muss man auch (scheinbar) Erwachsenen oft erst beibringen, weil das Elternhaus dazu nicht in der Lage oder willens war.

Ja, natürlich gibt es die Klagen von der unerzogenen Jugend seit Jahrhunderten, und wir wollen hier keine Pauschalurteile fällen. Aber wahrscheinlich ist es dennoch nicht ganz falsch, heute wieder an den Wert von respektvoller Erziehung und sinnvoller Autorität zu erinnern.

Haben Donald Trumps Eltern versagt?

In Unternehmen, aber auch speziell in der Politik ist diese Autorität übrigens ein ständiges Thema, man betrachte nur die Debatten des vergangenen Monats: Da wurde breit über die schwindende Autorität von Angela Merkel debattiert, die nach zwei verlorenen Landtagswahlen als CDU-Chefin abdankt. Oder über jene der mitten in den Brexit-Wirren steckenden britischen Premierministerin Theresa May sowie des auch schon populärer gewesenen französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Bei Donald Trump wiederum geht es weniger um seine Autorität, sondern mehr darum, ob er nicht einen Knacks durch seinen überstrengen Vater erlitten haben könnte, der ihm Anerkennung verweigerte. Vielleicht erklärt dieser Erziehungsfehler seine Großmannssucht, sein rüpelhaftes Verhalten und seinen Aufstiegsdrang um jeden Preis. Wahrscheinlich ist gerade Trump ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass Kinder von ihren Eltern hingebungsvolle Liebe, Erziehung zu Toleranz, Umgangsformen und, ja, auch Grenzen brauchen.

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