Empörungsprofiteure

Alle arbeiten sich an den Rechten ab, doch damit mobilisiert man vor allem deren Klientel.
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Warnung vor Rechtspopulismus bestimmt diese EU-Wahl, nicht nur in Österreich (auch die KURIER-EU-„Elefantenrunde“ hat es wieder vorgeführt). Gut möglich, dass dieses nicht immer ganz ehrliche Empörungsritual genau das Gegenteil bewirkt: Es macht die Rechten stark und singulär. Ihre Themen bestimmen die Wahl, man nimmt sie als Anti-Establishment wahr. Für „Wutbürger“ gibt es quasi wenig Alternativen.

Alle anderen Parteien kämpfen mit Mobilisierungsproblemen ihrer Wählerschaft, können den unbestreitbaren Nutzen einer gemeinsamen europäischen Politik aber nicht richtig erklären. Schließlich haben wir uns an die Vorteile als EU-Mitgliedsland längst gewöhnt und maulen nur noch über die Schattenseiten. So schafft die EU oft unnötige Bürokratie (Datenschutzgrundverordnung!), ist aber nicht in der Lage, ein halbwegs einheitliches Schienennetz zu bauen. Ja, auch der EU-Vertrag muss neu aufgesetzt werden, wie es neben anderen der Bundeskanzler bereits (taktisch nicht zufällig drei Wochen vor der EU-Wahl) angestoßen hat. Darin finden sich einige vernünftige, nicht rasend revolutionäre Vorschläge: von einem einheitlichen EU-Parlamentssitz bis zur Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in Teilbereichen.

Man sollte nie vergessen, dass wir Österreicher klare Nutznießer der EU (und der Osterweiterung!) sind. Unser Wohlstand beruht zu einem guten Teil auf den vier Freiheiten der EU: dem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Das Hochziehen von Zollmauern und Schranken hat immer katastrophale Auswirkungen gehabt. Das werden wahrscheinlich auch die Briten erfahren. Es darf kein Tabu sein, diese komplizierte Staatengemeinschaft zu kritisieren, aber im Kern ist die Europäische Union eine historisch richtige Idee und ohne Alternative. 

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