Nur vier Prozent hatte im Sommer die Zustimmung für Türkis-Grün betragen. Mittlerweile hat sie sich verzehnfacht, auf mehr als 40 Prozent. Entweder setzt auch in der Politik die normative Kraft des Faktischen oder des Realistischen ein, dass also etwas gut sein muss allein dadurch, dass es ist. Oder das PR-Genie Kurz hat mit dem PR-Greenhorn Kogler schon in der Verhandlungsphase gute Arbeit geleistet. Österreich (also der Mensch, und nicht die „Zeitung“) schätzt die Unaufgeregtheit, die Besonnenheit, ein bissl auch die Langsamkeit.
Jetzt, also vermutlich ab 7. Jänner, sind wir, die so oft Rückständigen, die schlechten Vergangenheitsbewältiger, die international immer wieder als die Braunsumpfigen dastehen (nicht ganz zu Unrecht), plötzlich die Innovativen. Türkis-Grün bringt die erste öko-konservative Regierung Europas, wobei man sich fragen muss, wer am Ende konservativer und wer mehr öko ist. Dialektiker werden sich freuen über diese Synthese aus den beiden so antithetischen Parteien. Und manche sich darüber wundern, wie ein Kanzler so von der rechten zur linken Bande pendelt. Aber vielleicht ist das die wahre Lernfähigkeit im Eiskanal der Politik. Der neue Pragmatismus. Oder schlicht ein veraltetes Koordinatensystem.
Die 2020er Jahre beginnen also mit einer Revolution, zumindest für Austro-Verhältnisse. Und was haben die 10er Jahre gebracht? Zum zweiten Mal die Zerstörung der FPÖ, dank viel Alkohol und Klein-Zack auf Ibiza. Zum ersten Mal einen existenzbedrohenden Einbruch der SPÖ. International den Durchbruch der Rabauken im anglo-amerikanischen Raum. Und ein Reich der Mitte, das mächtig ist wie seit Jahrhunderten nicht. All das konnten wir auf unseren Smartphones, mit denen wir mittlerweile verwachsen sind, verfolgen. Sie haben die vergangenen Jahre geprägt wie nichts anderes. Daher haben wir uns zur Bezeichnung „die smarten 10er Jahre“ entschlossen. Smart heißt übersetzt klug. Die Regierungsbildung ist grad noch rechtzeitig ein guter Schritt.
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