Ein Plädoyer für Langeweile

Ein Plädoyer für Langeweile
Die Politik hetzt allzu oft den Themen auf Social Media hinterher, statt besonnen zu agieren. Gut Ding braucht (Lange-)Weile.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Ein kluger Mann, mit Kölner Humor und großer Kenntnis des Österreichischen, sagte zuletzt zum Autor dieser Zeilen: „Eigentlich mag ich den Nehammer, der ist recht langweilig, und das ist gut so.“ Langweilig und gut – kann dieses Wortpaar, diese Dyade, ein Qualitätsmerkmal sein? Es kann.

Leider leben wir ja in Zeiten, die alles andere als langweilig sind. „Mögest du in interessanten Zeiten leben“, lautet ein berühmtes chinesisches Sprichwort, das aber kein Wunsch, sondern ein Fluch ist. Interessant ist das Gegenteil von langweilig, also aufregend, spektakulär, gemeint ist auch konfliktreich, zerstörerisch.

Langweilig hingegen heißt, dass alles seinen Lauf nimmt, dass das Laufnehmen aber auch Zeit braucht, dass nicht alles gehetzt, gestresst erfolgen muss, sondern Raum für Gedanken existiert. Langweilig ist die Antithese zum Social-Media-Zeitalter, in dem es um dauerhafte Erregung geht und das uns in die emotionale Eiszeit führt. Die Empathie-Fähigkeit wird auf wenige Sekunden reduziert, jeder denkt nur noch an sich selbst. Auch in der Politik, wo der Populismus kein Fokus auf die wirklichen Wünsche der Bevölkerung ist, sondern auf die Spitze getriebene Egozentrik in Hinblick auf Wahlerfolge.

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