Ein kluger Mann, mit Kölner Humor und großer Kenntnis des Österreichischen, sagte zuletzt zum Autor dieser Zeilen: „Eigentlich mag ich den Nehammer, der ist recht langweilig, und das ist gut so.“ Langweilig und gut – kann dieses Wortpaar, diese Dyade, ein Qualitätsmerkmal sein? Es kann.
Leider leben wir ja in Zeiten, die alles andere als langweilig sind. „Mögest du in interessanten Zeiten leben“, lautet ein berühmtes chinesisches Sprichwort, das aber kein Wunsch, sondern ein Fluch ist. Interessant ist das Gegenteil von langweilig, also aufregend, spektakulär, gemeint ist auch konfliktreich, zerstörerisch.
Langweilig hingegen heißt, dass alles seinen Lauf nimmt, dass das Laufnehmen aber auch Zeit braucht, dass nicht alles gehetzt, gestresst erfolgen muss, sondern Raum für Gedanken existiert. Langweilig ist die Antithese zum Social-Media-Zeitalter, in dem es um dauerhafte Erregung geht und das uns in die emotionale Eiszeit führt. Die Empathie-Fähigkeit wird auf wenige Sekunden reduziert, jeder denkt nur noch an sich selbst. Auch in der Politik, wo der Populismus kein Fokus auf die wirklichen Wünsche der Bevölkerung ist, sondern auf die Spitze getriebene Egozentrik in Hinblick auf Wahlerfolge.
Daher: Langeweile! Aber Langeweile zuzulassen, müssen wir erst wieder lernen. Aus Langeweile entstehen Ideen, sie ist die Basis für Kreativität. Doch aus Angst vor Langweile flüchten die meisten beim ersten Augenkontakt in der U-Bahn in ihr Handy. Das Smartphone ist die süchtig machende Pille gegen Langeweile und der Schutzwall zum anderen.
Doch wie passen Langeweile und Politik, wo es um den Verkauf von Ideen und den Gewinn von Stimmen geht, zusammen? Gar nicht so schlecht, wenn sich Politik zwischendurch auf inhaltliche Arbeit konzentriert, ohne andauernd in den Modus von Casting- oder Talkshows zu verfallen. Idealiter wird nicht jeder Unsinn kommentiert oder auf jedes aufgeblasene Scheinthema aufgesprungen. Davon sind wir aber meist weit entfernt, weil die öffentliche Erregung, also die Abkehr von Langeweile, für ein Erfolgsrezept gehalten wird.
Dabei könnte man sich von der Wirtschaft einiges abschauen. Die besten Firmenchefs sind in vielen Branchen jene, die man in der Öffentlichkeit gar nicht kennt, die ihren Job statt Dauer-PR machen, nach innen statt nach außen wirken. Oder auch vom Sport: Der beste Fußball-Teamchef, den Österreich seit langem hat, denkt nicht daran, alles zu kommentieren, hat monatelang keine Interviews gegeben, sondern besticht (zumindest im Moment) mit der Leistung seiner Mannschaft, also vordergründig durch jene anderer. Aber den Teamgedanken, das gemeinsame Voranbringen des Landes, kennt man in der Politik kaum. Stattdessen werden wir nun ein Jahr Wahlkampf haben, leider gar nicht langweilig.
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