Die Wahrheit ist: Billiger wird nichts mehr werden
Wolfgang Unterhuber
05.01.23, 17:00Der beste Weg das kapitalistische System zu zerstören besteht darin, die Währung zu entwerten, sagte der kommunistische Putschist und Sowjetführer Wladimir Iljitsch Lenin einmal. Stimmt. Eine hohe Inflation sorgt dafür, dass die hehren Grundsätze der Ökonomie auf den Kopf gestellt werden. Wer spart, wird bestraft, wer Schulden hat, wird belohnt.
Deshalb waren die Franzosen und südeuropäischen Länder auch so lange dagegen, dass die Europäische Zentralbank EZB die Leitzinsen anhebt. Weil die hohe Inflation eben ihre Staatsschulden dahinschmelzen lässt. Für diesen obskuren Weg der Sanierung des Staatshaushaltes gibt es bekanntlich ein historisch dramatisches Beispiel: Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Die Weimarer Republik warf die Notenpresse an. Durch die Hyperinflation von 1923 wurde der Staat so seine ganzen Kriegsschulden los.
Glaube
Auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Die politischen Folgen sind bekannt. Nichts habe die Deutschen so „hitlerreif“ gemacht, wie das Inflationstrauma von 1923 schrieb der Schriftsteller Stefan Zweig (1881 – 1942) später. Das sollte uns eine Warnung sein. Wenn der tägliche Einkauf immer teurer wird, und Wohnen (samt Energiekosten) mehr als die Hälfte des Einkommens auffrisst, zerstört das den (Rest-) Glauben an das politische Establishment und macht die Menschen empfänglich für vermeintlich einfache und radikale Lösungen.
Noch dazu, da in der aktuellen Krise der Glaube an den Staat erschüttert ist. Die Menschen haben erkannt, dass diese Krise eine Krise des Staates und nicht des freien Marktes ist. Die aktuell so hohe Geldentwertung hat ihre Ursachen nicht in einer Blase, die irgendwo geplatzt ist. Sie hat ihre Ursache zunächst im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den später richtigen, aber nicht durchdachten, sondern abrupten und situationselastischen Sanktionen gegenüber Russland. Aber auch in der erratischen und unabgestimmten Lockdown-Politik der westlichen Industrienationen (Stichwort Lieferketten).
Ironie
So ist es nun eine böse Ironie der Geschichte, dass in diversen Regierungskanzleien die Verursacher der Krise mit (von den Steuerzahlern finanzierten) milliardenschweren Antiteuerungspaketen jenes Problem lösen wollen, das sie mit verursacht haben. Die Brandstifter versuchen sich als Feuerwehr. Der zuweilen laute und populistische Ruf nach mehr Staat wirkt da durchaus bedrohlich.
Aktuell scheint sich die Inflation bei ihrem hohen Niveau wenigstens einzupendeln. Aber wird sie auch wieder sinken? Das unbeirrte Ziel der Europäischen Zentralbank – eine Inflation von zwei Prozent – ist jedenfalls volkswirtschaftliches Kabarett. Die Lohn-Preis-Spirale wird sich weiterdrehen. Und wenn Chinas Wirtschaft wieder voll zurückkommt (siehe dazu auch die Analyse auf Seite 3) wird der Öl- und Gaspreis wegen der hohen Nachfrage wieder raufschnellen.
Zudem wird der Krieg in der Ukraine ein sehr langer werden. Mit allen damit verbundenen ökonomischen Verwerfungen. Das stellt die Notenbanken vor eine besondere Herausforderung. Sie müssen die Zinsen hoch lassen, damit die Inflation weiterhin stagniert. Hohe Zinsen aber würgen das Wachstum ab. Das wird zu einer Rezession führen. Was tun, würde Lenin jetzt fragen. Fangen wir damit an, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Sie lautet: Die einfache Lösung gibt es nicht. Und billiger wird nichts mehr werden.
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