Szenenwechsel nach Österreich: Hier erzählt man von den Grünen, dass sie genüsslich vertrauliche Justizakten über ÖVP-Landeshauptleute in die Öffentlichkeit spielen. Hier steht ausgerechnet die ÖVP-Wirtschaftsministerin im parteiinternen Schussfeld. Die Tirolerin Margarete Schramböck solle nach dem Parteitag am Samstag ihre Stelle räumen, wie Parteiinsider hinter vorgehaltener Hand gerne erzählen. Wer dann kommt? Hauptsache ein Tiroler. Denn so will es das fein austarierte Parteigefüge der ÖVP. Doch die Logik und die Attacken auf die Person Schramböck greifen zu kurz. Das eigentliche Problem, das die Volkspartei hat: dass ihr die Wirtschaftskompetenz abhanden gekommen ist, und das liegt nicht an Schramböck alleine.
Die einstige Wirtschaftspartei besetzt zwar nominell die wichtigsten Ministerien in Sachen Wirtschafts- und Industriepolitik, die Kompetenzen sind aber derart zersplittert, dass niemand mehr wirklich "Wirtschaftsminister" ist. Der Tourismus ist ebenso wie die Regionalpolitik zur Landwirtschaft gewandert, die teilstaatliche Industrie ist im Finanzministerium, Verkehr und Infrastruktur sowie Energie bei der auto-, gas- und straßenfeindlichen Umweltministerin. Schramböck, die noch im Büro früherer echter Wirtschaftsminister wie Martin Bartenstein oder Reinhold Mitterlehner sitzt, hat gerade noch die Agenden für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
Anders gesagt: Wirtschaft und Industrie haben keine Stimme in der Regierung mehr, und die Regierung hat keinen Minister für sie. Dabei gäbe es Themen genug: Energie, Teuerung, Lieferkettenprobleme, Post-Covid-Wiederaufbau – oder auch die richtige Kommunikation von Sondersteuern auf Energiekonzerne. Karl Nehammer muss also als neu gewählter und dann noch stärkerer ÖVP-Parteiobmann die Kompetenz der ÖVP schärfen, durch kluge Personalentscheidungen ohne Rücksicht auf regionale Partikularinteressen die besten Kräfte bündeln. Das täte ihm und der ÖVP gut. Und dem Land. Ebenso wie endlich ein wieder staatstragender grüner Koalitionspartner.
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