Die Politik spielt Taxi Orange

Martin Gebhart
Die Corona-Ampel ist angesichts der Zahl an Neuinfektionen für Farbenspiele ungeeignet. Auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Die Farbe Orange wird in der Psychologie als stimulierend, als stimmungsaufhellend beschrieben. Momentan allerdings wirkt sie eher bedrückend, drohend. Seit der Forderung von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, dass die Corona-Ampel in Wien auf Orange geschaltet werden muss. Seit der mehr als überraschenden Ansage von SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, dass er strengere Corona-Maßnahmen will und auch mit Orange leben könnte, obwohl er noch am Wochenende angesichts der harmloseren Farbe Gelb für Wien von einer politisch motivierten Aktion des Bundes gesprochen hatte.

Zur selben Zeit  lavierte sich der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober durch Fragen nach der Farbe Orange. Um bei der Aussage zu landen, dass er eher nicht damit rechne, dass die Corona-Ampel irgendwo auf Orange springen wird. Das alles passierte bereits im Vorfeld jener Expertensitzung, in der  eigentlich erst über die regionalen  Ampelschaltungen entschieden werden soll.  Da den Durchblick zu haben, ist mittlerweile ein Kunststück. Das Vertrauen in die Entscheidungen zu behalten, genauso.

Jetzt ist natürlich auch der Wiener Wahlkampf  eine Ingredienz, die diese Ampel-Suppe ungenießbar macht. Der verbale Boxkampf zwischen Peter Hacker und ÖVP-Innenminister Karl Nehammer hat das mehr als deutlich gemacht. Es wäre aber ein  riesiger  Fehler, die Orange-Diskussion in erster Linie unter diesem Aspekt zu betrachten. Der Blick muss  vielmehr auf die Entwicklung der Infiziertenzahlen gerichtet sein. Die ist besorgniserregend: 664 Neuinfektionen am Donnerstag, 387 davon in der Bundeshauptstadt. Im Wiener Franz-Josef-Spital sind die Betten auf der Covid-19-Station wieder voll belegt. Wir nähern uns  mittlerweile jenen Zahlen, die im März zum Lockdown geführt haben. 

Da reicht kein Beschwichtigen mehr, da müssen klare Ansagen her.  Die Bevölkerung verlangt in so einer Situation zu Recht rasche, klare Entscheidungen – auf allen Ebenen.   Die sind momentan  nicht wirklich möglich.  Es wissen zwar alle,  mit welchen Beschränkungen zu rechnen ist, wenn die Ampel etwa auf Orange springt.  Das entsprechende Covid-19-Maßnahmenpaket wird aber erst in der nächsten Nationalratssitzung beschlossen. Viel zu spät, wenn man bedenkt, dass den ganzen Sommer über dafür Zeit gewesen wäre.  Die Parlamentspause kann in Zeiten von Corona nicht als Ausrede dienen.

Wenn jetzt auch noch überlegt wird, bundesweite Regeln einzuführen, als ob ganz Österreich etwa  auf Gelb wäre, dann kann man die Ampel gleich wieder ganz abschalten.  Verbunden mit einer Entschuldigung für die politische Schmierenkomödie, die  uns rund um die Ampel geboten worden ist.  Und einem wichtigen Hinweis: Es geht nicht um ein Taxi-Orange-Spiel, sondern um unsere Lebensrealität.

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