Die Partei ist alles – auch wenn das Gegenteil behauptet wird

Martina Salomon

Martina Salomon

Politiker setzen sich Tarn- und manchmal auch Narrenkappen auf.

von Dr. Martina Salomon

über den Parteienstaat Österreich.

Parteien, das war gestern. Spitzenpolitiker tun mittlerweile alles, um nicht mit ihrer politischen Heimat identifiziert zu werden. Da muss man gar nicht nur nach Frankreich schauen, wo der sozialistische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron eine eigene (Wahlkampf-)Partei gründete. Es reichen auch österreichische Verhältnisse.

Siehe die aus tiefbürgerlichem Umfeld kommende Irmgard Griss, die nun zwischen Neos, ÖVP und Privatfernsehen mäandert. Und Alexander Van der Bellen, der sich noch vor seinem Entschwinden hinter die Tapetentüren der kaiserlichen Hofburg seiner grünen Vergangenheit entledigte. Man darf wetten, dass sich sowohl der im Dauerwahlkampf befindliche Bundeskanzler als auch der voraussichtliche schwarze Spitzenkandidat Sebastian Kurz als schillernde Paradiesvögel vom Grau ihrer Parteien abheben wollen.

Doch diese Darstellung einzelner Super-Individualisten widerspricht in geradezu grotesker Weise der österreichischen Realverfassung. Diese bietet mit Ausnahme der Bundespräsidenten-Kür nur wenig Raum für ein Persönlichkeitswahlrecht. Außerdem ist Österreich von einem dichten rot-schwarzen Proporz durchdrungen. Da geht es nicht nur um die sozialpartnerschaftliche "Selbstverwaltung" der Krankenkassen, sondern auch um eigentlich politikferne Institutionen wie Finanzmarktaufsicht (rot-schwarz) oder Statistisches Zentralamt (rot). Klar, wer die Deutungshoheit über die Zahlen hat, kann damit die öffentliche Meinung manipu…, äh, beeinflussen.

Und wir prangern zwar zu Recht die unzulässige politische Einmischung Polens in seine Verfassungsgerichtsbarkeit an, vergessen dabei aber, dass bei uns die obersten Richter nach einem fein austarierten schwarz-roten System besetzt werden. Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge hat nun gerade die ÖVP das Vorschlagsrecht für den Nachfolger des "rot" ausgewählten VfGH–Präsidenten, der heuer in Pension geht.

Bei der ORF-Generaldirektorenwahl wiederum dürfen sogar alle Parteien mitpokern und sich dabei Versprechen der Kandidaten abholen (die dann nicht immer gehalten werden).

Tarn- und Narrenkappen

Reichlich absurd ist auch, wenn Vertreter(innen) regierender Parteien die Geschlechterkluft beim Einkommen beklagen. Sie müssen sich nur an ihre eigenen Gewerkschaften wenden. Diese sind es, die die Kollektivverträge aushandeln, und nicht irgendwelche fernen politischen Mächte.

Aber egal, was die Österreicher wählen, am Ende springt dennoch mit wenigen Ausnahmen immer wieder eine rot-schwarze Regierung heraus. Diese hat den Vorteil, Personal deutlich leichter rekrutieren zu können, als die Konkurrenz – es gibt ja genügend eigene Vorfeldorganisationen. Angesichts der zunehmenden Zersplitterung der politischen Landschaft ist das natürlich ein schwerer Anachronismus. Und es schürt den Zorn der Bürger, weil man keinen politischen Wechsel wählen kann. Was wiederum dazu führt, dass sich Spitzenkandidaten Tarn- und manchmal auch Narrenkappen aufsetzen. Ernsthaften Reformwillen – mit der Bereitschaft, das Richtige auch gegen den Staatsfilz durchzusetzen –, sieht man hingegen selten. Keine wirklich beruhigenden Aussichten in unruhigen Zeiten.

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