Die Obamas im Wahlkampf: heikles Spiel mit Sehnsüchten

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Der Präsident und die First Lady inszenieren sich abseits der Politik und sind damit die Hoffnungsträger der Liberalen in diesem US-Wahlkampf.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Ein ehemaliger Präsident im Freizeithemd und seine First Lady in Bermudashorts beim entspannten Plaudern – der perfekt inszenierte Wohnzimmer-Schnappschuss, den das Ehepaar Obama gerade in die Welt der Sozialen Medien hinausschickte, erzählt auch ohne Worte eine klare Botschaft: Da mag ein grimmiger Präsident im Weißen Haus kämpferische Töne spucken und seine First Lady dazu ihre versteinerte Miene in die Kameras halten, wir zwei arbeiten uns nicht an diesen negativen Figuren ab. Wir hüten ganz privat unseren Traum von einem liberalen modernen Amerika, das den Optimismus, den es so schmerzlich vermisst, bei uns wieder entdecken darf.

Zentrale Figuren im Wahlkampf

Barack und Michelle Obama sind bereits seit dem Vorjahr zentrale Figuren im US-Wahlkampf, und ihre wichtigste taktische Waffe ist dabei, sich demonstrativ von eben diesem Wahlkampf fernzuhalten. Barack lässt hin und wieder eine besorgte Bemerkung über die aktuelle Politik fallen, ohne seinen Nachfolger auch nur zu erwähnen. Michelle nimmt sich unermüdlich all der ach so privaten Themen von Familienleben in Corona-Zeiten bis zum alltäglichen Rassismus an. So geben die beiden dem liberalen Amerika die moralische Unterstützung und die Aufmunterung, die es in der Tagespolitik nicht findet. Denn diese Tagespolitik ist zunehmend kriegerisch, angeheizt auch von einem Präsidenten, der in der Mobilmachung seiner Stammwähler seine derzeit einzige Chance sieht, eine zweite Amtszeit im Weißen Haus zu retten. Der 77-jährige Joe Biden, der als Präsidentschaftskandidat nichts tut als in seinem selbst gewählten Corona-Hausarrest Stehsätze vom Blatt abzulesen, ist für die Demokraten wohl nicht mehr als die einzige Möglichkeit, Trump aus dem Weißen Haus zu werfen, die ihnen geblieben ist.

Spielfeld ist nicht die Politik

Es gäbe genug an Obamas Amtszeit auszusetzen, an all den großen Worten, die er nicht in Taten umgesetzt hat. Doch dieser Auseinandersetzung müssen sich die Obamas nicht stellen. Ihr Spielfeld ist nicht die Politik, sondern das Private – und das ist gerade in diesen Tagen die eine mächtige politische Waffe.

Bärendienst an der Demokratie

Das Scheitern in der Corona-Krise, das jähe Hochkochen eines ungelösten Rassenkonflikts, all das lässt viele Amerikaner an der Politik verzweifeln. Den Optimismus – emotionaler Treibstoff dieses Landes mehr als jeder anderen westlichen Nation – suchen sie anderswo. Das Angebot der Obamas ist dabei ebenso verlockend wie schädlich. Sich als das Gewissen einer Nation zu inszenieren, ohne sich an der alltäglichen Politik die Finger schmutzig zu machen, ist ein wunderbares Wahlkampf-Instrument. Die tatsächliche Politik aber, die sich früher oder später der tatsächlichen Probleme annehmen muss, lässt man so noch schlechter aussehen. Ein Bärendienst an einer ohnehin ramponierten Demokratie.

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