Ein Widerspruch zum schrillen Auftreten seiner Parteikollegen waren auch die versöhnlichen Töne des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer. Anderen auch zuzuhören und am Ende das Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen, schlug er vor. Völlig richtig. Hoffentlich haben alle, auch außerhalb der FPÖ, seinen wichtigsten Satz gehört: „Ich möchte vor Menschen warnen, die niemals ihre Meinung ändern. Das ist keine Stärke, das ist eine Schwäche.“
Nach ihm sprach Festredner Wolfgang Schäuble kritisch das Moralisieren in der Politik an – und auch die gegenderte Sprache. Tatsächlich lehnen mehr als 90 Prozent eine (gewaltsam) gegenderte Sprache ab, aber selbst Marketingabteilungen traditioneller Firmen haben beschlossen, dass Doppelpunkt (derzeit am höchsten im Kurs), Gendersternchen oder Binnen-I zum modernen Außenauftritt dazugehören. Übrigens wurde die Rede des klugen ehemaligen deutschen Bundestagspräsidenten und CDU-Politikers von der österreichischen Parlamentsdirektion mit den modischen Unterbrecherdoppelpunkten ausgesendet. Provokation oder Gedankenlosigkeit?
Interessant war jedenfalls zu beobachten, wie Schäuble von etlichen (SPÖ-)Abgeordneten der Applaus verweigert wurde, obwohl er vieles sagte, worüber parteiübergreifender Konsens herrschen sollte: Um das Vertrauen in die demokratischen Prozesse zu stärken, brauche es eine Kultur des Zuhörens und die Bereitschaft, nicht von vornherein auszuschließen, dass der andere auch recht haben könnte. Besonders wichtig ist es Schäuble, all jene, die kein Interesse mehr am demokratischen Diskurs haben, überhaupt zu erreichen und sie in eine gemeinsame demokratische Öffentlichkeit zurückzuholen.
Damit hat er ein bedrohliches Phänomen angesprochen: Politiker und Intellektuelle zanken sich mit Leidenschaft und bemerken dabei kaum, wie sich ein wachsender Teil der Bürgerinnen und Bürger nur noch angeekelt abwendet und letztlich die repräsentativen Institutionen (Regierung, Parteien, Kirchen, Kammern, Medien) ablehnt. Das ist keinesfalls nur eine österreichische Entwicklung. Dem gemeinsam (!) auch im Parlament gegenzusteuern statt Hass zu schüren, wird eine Überlebensaufgabe einer lebendigen Demokratie.
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