"Der Spiegel" gibt Fehler zu, Facebook benutzt uns

Der Journalismus ist vielfach bedroht, auch durch sich selbst. Aber Facebook gefährdet die Demokratie.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„Sagen, was ist“, das Motto des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein steht im Gebäude des Hamburger Magazins. Wenn die Redakteure das ernst nehmen, haben sie in den kommenden Wochen viel zu tun. Dass ein vielfach ausgezeichneter Reporter den Spiegel über längere Zeit mit gefälschten Berichten täuschen konnte, ist eine schwere Schlappe für das Magazin, und für den Journalismus generell. Natürlich gibt es in allen Berufen Leute, die ihre Möglichkeiten missbrauchen. Aber wenn in einem Medium, das auf seine Geschichte und seine Recherchen stolz ist, mehrfach die Leser getäuscht werden, dann muss das im Detail aufgeklärt werden. Für den Spiegel spricht, dass die Redaktion selbst die Fälschungen bekannt gemacht hat und jetzt eine Kommission alles aufarbeiten soll. Man kann den Kollegen nur zu größtmöglicher Transparenz raten.

Niemand kann Fehler ausschließen, niemand behaupten, immer die Wahrheit zu schreiben. Das Bemühen, stets nach der Wahrheit zu suchen, ist Grundlage für anständigen Journalismus, ebenso wie die schnelle Korrektur von Fehlern. Leider ist da die Erwartungshaltung in Österreich nicht zu groß, was auch an dieser und den vorherigen Regierungen liegt. Sie alle überwiesen jenen Zeitungen am meisten (Inseraten)-Geld, die am öftesten Widerrufe bringen oder vom Presserat verurteilt werden. Die Akzeptanz eines unabhängigen Journalismus ist in Deutschland ungleich größer als bei uns, die Angst der Politiker vor den Medien ist dort dafür viel geringer. Ein ehrlicher und offen geführter Dialog zwischen Politik und Medien würde unserem Land sehr guttun.

Die Daten-Krake als Feind der Demokratie

Da muss auch über die andere große Gefahr für die Demokratie gesprochen werden, die Macht der immer mehr sich als unsozial gerierenden „sozialen Medien.“ In den USA wird durch neue Dokumente, die die New York Times eben veröffentlicht hat, die Debatte lauter. Danach hat Facebook die unendlich vielfältigen Daten seiner rund 2,2 Milliarden Nutzer zwar nicht direkt an Tech-Unternehmen wie Amazon verkauft, diese konnten aber Daten von Facebook-Usern verwenden. Und inzwischen ist auch nachgewiesen, wie intensiv ein russisches Unternehmen zugunsten von Trump in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen hat. Es wurden Facebook-Profile gefälscht, mit denen vor allem afroamerikanische Wähler angesprochen wurden – vor allem mit dem Ziel, sie vom Wählen abzuhalten.

Auch bei uns verwendet die Politik Facebook, um an den klassischen Medien vorbei ihre Botschaften zu verbreiten. Da geht Steuergeld an ein Unternehmen, das kaum Steuern zahlt. Unabhängig davon braucht unsere Demokratie Journalisten, die unbehelligt von der Regierung arbeiten können, und die Redaktionen dürfen um keinen Preis ihre Leser täuschen oder betrügen. Da hilft nur starke Konkurrenz, Transparenz, eine genaue Eigenkontrolle und Unterstützung für alle, die sich gegen unanständige Medien wehren.

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