Denken als digitale Grundkompetenz
Symbolbild: Frau mit Smartphone
Dieses Internet wird sich sowieso nicht durchsetzen.
Ein Uralt-Schmäh unter Millennials, aber scheinbar die Denkweise jener, die erst jetzt – im Jahr 2022 – draufkommen, dass es klug wäre, jedem Kind in Österreich eine „digitale Grundbildung“ angedeihen zu lassen. Derzeit gibt es nur eine verbindliche Übung als Pilotprojekt, ab dem neuen Schuljahr wird es zum Pflichtfach ab der AHS-Unterstufe bzw. Mittelschule. Gut so. Besser spät als nie.
Aber wie wird der Lehrplan aussehen? Das Technische dürfte flott abgehandelt sein: Jedes Kleinkind weiß, wie man ein Smartphone aktiviert und erlernt mit der Zeit ganz selbstverständlich, wie es zu bedienen ist. Jedes zweite Kind unter zehn Jahren hat sogar schon ein eigenes.
Das Wichtigste wird sein, den Schülern in diesem Pflichtfach beizubringen, wie sie mit dem, was ihnen da aus den Tiefen des Internets entgegenspringt, umgehen sollen. Ist das, was ich da lese, echt? Stimmt das wirklich, oder will mir hier jemand Angst machen, mich in die Irre führen?
Quellen überprüfen, seriöse von unseriösen unterscheiden – das klingt schrecklich fad und anstrengend. Die Pubertierenden werden sich köstlich amüsieren, wenn ihnen die ergraute Frau Professor etwas über TikTok erklären will.
Die digitalen Neuheiten galoppieren vielen Erwachsenen ohnehin davon (wer ist eigentlich noch auf Facebook?). Worum es im Kern geht, ist die Kompetenz, eigenständig zu denken – im digitalen wie im realen Leben. Information nicht nur aufzunehmen und nachzuplappern, sondern zu verarbeiten. Einzuordnen, was das für das eigene Leben bedeutet – beziehungsweise ob überhaupt etwas. Und, ganz wichtig: Richtigen Experten vertrauen; nicht den Blendern, die nur auf Klicks und Stimmungsmache aus sind.
Gar nicht so einfach alles, damit tun sich auch Erwachsene schwer, betrachtet man, was gerade in den vergangenen Monaten zum Thema Corona und Impfung in sozialen Medien kursiert.
Was das Bildungssystem hier zu leisten in der Lage ist, wird zur demokratiepolitischen Überlebensfrage der nächsten Jahrzehnte: Digital inkompetente Kinder wachsen zu inkompetenten Wählern heran, die den Architekten der Echokammern schutzlos ausgeliefert sind. Falsch informiert, verunsichert, verängstigt – für die Demokratie ist das eine toxische Mischung.
Was das bedeutet, konnte man schon bei den Wahlen in Oberösterreich und in Waidhofen beobachten: Nicht wenige haben sich von den traditionellen Parteien abgewandt und sind zur MFG übergelaufen, die kaum Inhalte hat, dafür umso lauter schreit.
Das Bildungssystem hat das Meiste schon verschlafen. Die Pandemie ist und war eine Chance, digitaler zu arbeiten und digitaler zu denken. Verpassen wir sie nicht.
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