Hofburg: Ein demokratiepolitisches Armutszeugnis

Es geht um das höchste Amt im Staat. Es ist die einzige Direktwahl, eine Persönlichkeitswahl. Und die dereinst "großen" und sich gerne staatstragend gebenden Parteien - ÖVP und SPÖ - verzichten einfach auf eine Kandidatur.
Weil sie keine Persönlichkeiten haben, die sich für die Funktion des Staatsoberhauptes eignen?
Weil die Kosten eines Hofburgwahlkampfes, der mutmaßlich gegen den Amtsinhaber nicht zu gewinnen ist, mit kolportierten drei Millionen Euro zu hoch sind? Weil es bei der Bundespräsidentenwahl keine Wahlkampfkostenrückerstattung gibt?
Weil die Kandidaten bei der letzten Präsidentschaftswahl 2016 - Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) - mit jeweils knapp über 11 Prozent bereits im ersten Wahlgang scheiterten und man sich eine weitere Niederlage ersparen will?
Nein, die Argumente die von Sozialdemokratie wie Volkspartei vorgebracht werden sind - jedenfalls offiziell - andere.
Man verzichte(te) aus Respekt vor Amtsinhaber Alexander Van der Bellen auf eine eigene Nominierung.
Mehr wird an Begründung nicht vorgebracht.
Doch was heißt das in einer Zeit, in der das Vertrauen in die Institutionen stetig im Schwinden begriffen ist, wenn die noch stimmenstärksten Parteien nicht einmal den Anspruch auf das höchste Amt im Staat stellen?
Und was sagt das über das Innenleben von SPÖ und ÖVP aus, nicht nur auf eine Nominierung, sondern damit auch auf Themensetzungen - von Teuerung bis Neutralität - im Wahlkampf freiwillig zu verzichten?
Je näher der Wahltermin rückt, umso mehr die 21 Männer und 2 Frauen öffentlichkeitswirksam um 6.000 notwendige Unterstützungserklärungen buhlen, desto offenkundiger wird die rote wie schwarz-türkise Fehlentscheidung.
Pamela Rendi-Wagner und Karl Nehammer vergeben sich und ihren Parteien die Chance: Nämlich eine Persönlichkeit zu positionieren und sich mit Themen zu profilieren.
Sollte die Nicht-Kandidatur von ÖVP und SPÖ tatsächlich mit dem Wahlkampfbudget zu tun haben: das Argument ist zu entkräften. MFG-Chef Michael Brunner bewies bei der Landtagswahl in Oberösterreich, dass mit de facto keinem Geld ein Wahlkampf zu führen und ein Einzug in den Landtag möglich ist. Bierpartei-Chef Dominik Wlazny alias Marco Pogo beweist gegenwärtig, dass de facto ebenfalls ohne Budget und mit Social Media 6.000 Unterstützungserklärungen weit vor "Einsendeschluss" (2.September) machbar sind.
Sollte die Nicht-Kandidatur tatsächlich auch mit Persönlichkeiten, denen man die vermeintliche "Schmach" einer Wahlniederlage ersparen will, zu tun haben: das Argument ist nicht stichhaltig.
FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz könnte laut profil-Umfragen 13 Prozent an Stimmen gewinnen, Ex-Krone-Kolumnist Tassilo Wallentin wie Ex-BZÖ-Mann Gerald Grosz jeweils sechs Prozent, Wlazny 5 Prozent und MFG-Chef Brunner 3 Prozent. Sie alle bewerben sich für das höchste Amt im Staat, wissend, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen laut profil-Umfrage bei 66 Prozent liegt.
Bis 2. September hätten ÖVP und SPÖ theoretisch noch Zeit, 6.000 Unterstützungserklärungen für eine Kandidatin oder einen Kandidaten ihrer Wahl zu sammeln.
Sie werden die Chance verstreichen lassen und damit eine Niederlage einfahren.

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