Gekippt haben die Höchstrichter die Passage „oder ihm dazu Hilfe leistet“; der erste Tatbestand – das Verleiten zum Suizid – bleibt also bestehen. Ebenso bleibt der vorhergehende § 77 „Tötung auf Verlangen“ aufrecht. Beide Paragrafen waren – auf Betreiben der Antragsteller, die von einem durch den Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas finanzierten Anwalt vertreten wurden – Gegenstand der VfGH-Beratungen.
Nun muss die Politik wie immer in solchen Fällen das Gesetz reparieren – bis zum Sommer soll es vorliegen, hat Verfassungsministerin Karoline Edtstadler angekündigt. Diese Woche fanden im Rahmen eines von der Bundesregierung einberufenen „Dialogforums“ Gespräche von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen statt.
Was immer schlussendlich herauskommt – es wird den einen zu wenig und den anderen zu viel sein. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Befürworter einer „Liberalisierung“ das VfGH-Erkenntnis nur als Etappensieg sehen und weitere Anläufe unternehmen werden, auch § 77 zu kippen. Und schon jetzt prophezeien Beobachter, das neue Gesetz werde jedenfalls zu „restriktiv“ sein und daher erneut vor dem VfGH landen.
Für die andere Seite ist freilich schon mit dem VfGH-Erkenntnis die entscheidende Zäsur passiert: eine Aufweichung der Unverfügbarkeit des Lebens an dessen Ende. Die Entwicklung in Ländern mit bereits vollzogener „Liberalisierung“ zeigt jedenfalls, dass auf einen ersten Schritt stets weitere gefolgt sind. Was zunächst noch definitiv ausgeschlossen wird, erscheint zu einem späteren Zeitpunkt nachgerade alternativlos. Die inhärente Logik ist auch aus anderen (bio)ethischen Debatten bekannt: Wer A sagt, muss auch B sagen. Freilich wird dann nicht mehr hinterfragt, ob man vielleicht erst gar nicht A sagen hätte sollen.
Letztlich steht hinter dem Begehr nach Freigabe der Sterbehilfe auch ein jedenfalls hinterfragenswertes Verständnis von Autonomie, Freiheit und Würde. Aber hat eine müde blinzelnde Wohlstandsgesellschaft überhaupt noch die Kraft eine solche Debatte zu führen?
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