Showdown aus taktischen Gründen

Showdown aus taktischen Gründen
Die Regierung ist abgewählt. Ab jetzt herrscht monatelang Wahlkampf. Dem folgt eine schwierige Koalitionsbildung.
Martina Salomon

Martina Salomon

Übergroßes Machtstreben – das war am Montag im Nationalrat der Hauptvorwurf von Rot, Blau und der Liste Jetzt an den Kanzler. Aber als  Rechtfertigung, um ein ganzes Kabinett zu Fall und ein weiteres Mal in die internationalen Schlagzeilen zu bringen, ist das  einfach zu dünn. Noch dazu gegen den Willen des Bundespräsidenten. Schließlich haben sich die aktuellen (und schon gar nicht die erst ein paar Tage im Amt befindlichen) Mitglieder dieser Regierung nichts zuschulden kommen lassen. Antipathie und Zorn, selbst wenn er berechtigt ist, sollten keine politischen Leitmotive sein. Es wird schwierig für die Abwählenden, dafür Verständnis in der Bevölkerung zu bekommen. Noch dazu, wo alle drei Aufständischen im Gegensatz zur ÖVP gerade eine Wahlniederlage erlitten haben: Eine Koalition der Verlierer wählt den Sieger ab.
Wie kann auf  so viel verbrannter Erde im Herbst ein neues Regierungshaus gebaut werden?  Nach der Wahl wieder an die alte Große Koalition anzuschließen, wirkt aus jetziger Sicht fast unmöglich. Die Abneigung zwischen SPÖ und ÖVP ist für alle spürbar. Selbst beim früher immer verbindenden Element, den Sozialpartnern, scheint der Faden gerissen zu sein. Aber eine Regierung mit den Blauen dürften weder Rot noch Türkis wagen.

Dass der designierte FP-Chef Norbert Hofer am Montag betonte, nun um eine „stabile Regierung“ bemüht zu sein, könnte man Chuzpe nennen. So steil dürfte die Vergessenskurve der Wähler dann auch wieder nicht sein, dass man schon verdrängt hat, wer der wahre Auslöser für das jetzige Schlamassel ist.

Kann Kurz den Erfolg der EU-Wahl wiederholen (aber der September ist noch weit weg), wird er wohl versuchen, eine andere, ebenfalls ungewöhnliche Koalition zu schmieden: Türkis-Pink-Grün. Neos-Chefin Meinl-Reisinger hat ja klug die Nische der verantwortungsvollen Oppositionspolitikerin genutzt, ohne unkritisch zu sein. Aber rein rechnerisch wird es wahrscheinlich weder mit Schwarz noch mit Rot für eine Koalition reichen. Bliebe eine Dreierkoalition mit den Grünen, die derzeit gar nicht im Parlament sind und ideologisch der SPÖ näherstehen. Im Gegensatz zu ihren deutschen Parteikollegen sind sie noch lange nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen – auch wenn Werner Kogler ein guter Wahlkämpfer mit Witz und Biss war. Das wird also schwer mit der Koalitionsbildung.
Für den egomanischen Selbstdarsteller Peter Pilz, der einst bei den Grünen über Leichen ging (und sich ihnen jetzt peinlicherweise wieder andient), war das wohl die Abschiedsvorstellung. Im Parlament stellte er wenig überraschend auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner rhetorisch in den Schatten. Diese steht nach einem desaströsen ORF-Auftritt Sonntagabend selbst innerparteilich schwer unter Druck.


Ein neuer Expertenbundeskanzler muss nun  Form wahren und Wellen glätten. Schlecht, dass unsere Wahlordnung so lange Fristen und bürokratische Auflagen vorschreibt. Dieses „Interregnum“ sollte nämlich nicht zu lange dauern.

 

 

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