Das überforderte Jugendamt

Dass Kinder von ihren einmal auffällig gewordenen Eltern ferngehalten werden, sollte die Ausnahme sein.
Ricardo Peyerl

Ricardo Peyerl

Kann diese Behörde objektiv genug sein, über die einschneidende Frage zu entscheiden, wer für das Kind sorgen soll?

von Ricardo Peyerl

über das Jugendamt

Eine derartige Beharrlichkeit hätte man sich in Fällen wie dem des zu Tode misshandelten eineinhalbjährigen Luca (2007) und dem des totgeprügelten dreijährigen Cain (2011) gewünscht. Die Gewaltneigung der Stiefväter war bekannt, Misshandlungsspuren waren schwer zu übersehen, trotzdem schaute das Jugendamt weg bzw. nur gelegentlich vorbei. Andererseits: Wenn die sich einmal verbissen und Eltern ein angeblich gefährdetes Kind weggenommen haben, lassen sie nicht mehr locker. Da können Sachverständige andere Ursachen für Verletzungsspuren finden, Strafrichter die Eltern von jeder Schuld freisprechen und Familienrichter das Kindeswohl für nicht gefährdet erachten: Das Jugendamt hält das Kind bis zur letzten Instanz unter Verschluss.

Womit sich die Frage aufdrängt: Kann diese Behörde objektiv genug sein, über die einschneidende Frage zu entscheiden, wer für das Kind sorgen soll? Und ehe der Streit rechtskräftig entschieden ist, verfügt das Jugendamt ja zunächst allein. Dabei sitzt es zwischen den Stühlen: Es hat Pflegeeltern ausgewählt, die eine Beziehung zu dem Kind aufbauen und es vielleicht nicht mehr hergeben wollen; auf der anderen Seite drängen die leiblichen Eltern auf Herausgabe. Die Familiengerichtshilfe oder andere außenstehende Institutionen könnten hier eine stärkere Rolle spielen.

Noch spiegeln die Zahlen das nicht wider, aber langsam beginnt man bei den Jugendämtern, vom Automatismus abzugehen, dass einmal abgenommene Kinder für immer oder sehr lang von den Eltern getrennt bleiben. Es gibt mehr sozialpädagogisch geschulte Pflegefamilien auf Zeit. Und die Gerichte rücken die Bedeutung der Eltern dort hin, wo sie hin gehört: in den Mittelpunkt.

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