Das Kreuz dieser Welt

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Die Welt ist "aus den Fugen", heißt es. Aber in Wahrheit ist sie das seit jeher. Das christliche Symbol dafür ist das Kreuz.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Ostern, das ist starker Tobak. Nichts das Herz Erwärmendes wie Weihnachten. Die Geschichte von der Geburt eines Kindes, zumal unter dramatischen Umständen wie damals in Bethlehem, ist emotional stark aufgeladen und erschließt sich unmittelbar, auch dem Nichtgläubigen.

Die Erzählung einer Hinrichtung, der darauf sich ausbreitenden Verzweiflung, Verunsicherung, Leere der Anhänger und Freunde des Delinquenten und schlussendlich – aus gläubiger Perspektive – dessen Auferstehung ist deutlich härter, schwieriger.

Gleichwohl ist das am heutigen Karfreitag im Zentrum stehende Kreuz ein stringentes Symbol: Leiden, Scheitern, Tod sind wesentliche Erfahrungen eines jeden Menschen, wie immer man damit umgehen mag. Selbst noch in der banalen Redewendung "Das Kreuz mit …" schwingt eine Ahnung davon mit, wie vieles in unserem Leben nicht gelingen will, sich nicht rundet, wie viele Pläne, Visionen, Träume unterschiedlichster Art stets aufs Neue durchkreuzt werden.

In diesen Tagen ist wieder oft davon die Rede, dass die "Welt aus den Fugen" geraten sei. Aber war sie das nicht immer? Ein auch nur oberflächlicher Durchgang durch die Jahrhunderte zeigt, dass diese Welt nie "in Ordnung" war – und vielleicht ist sie sogar heute, ohne die großen Probleme unserer Zeit leugnen oder auch nur kleinreden zu wollen, weniger denn je "aus den Fugen".

Das Richtige im Falschen

Von Theodor W. Adorno stammt der berühmte Satz "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". Aber, so könnte man fragen, gibt es ein anderes? Ist nicht genau das die menschliche Grunderfahrung: in einem "falschen" – von Fehlern, Versagen, Verwerfungen aller Art geprägten – Kontext dennoch zu versuchen, das "Richtige" zu tun; in einer „Welt aus den Fugen“ das eine oder andere zusammenzufügen – nach Maßgabe je eigener Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Alle Versuche aber, ein "richtiges" Leben, eine "heile" Welt – wie immer sie vorgestellt wird – zu etablieren, münden zwangsläufig in die Katastrophe.

Die christliche Ostererzählung knüpft daran an: dass in einer "falschen", aus den Fugen geratenen Welt das Leben dennoch gelingen kann. Für Christen jedenfalls ist das Kreuz nicht einfach ein Hinrichtungsinstrument – als solches hätte es nicht zu dem Symbol ihres Glaubens schlechthin werden können. Sondern es ist gleichzeitig und vor allem Zeichen der Überwindung dessen, wofür das Kreuz steht.

Die Überzeugung von der ultimativen Überwindung des Todes, die "Gewissheit", dass das "richtige" Leben das letzte Wort hat, ist freilich eine Frage des Glaubens. Zumindest die vage Hoffnung darauf aber treibt im Innersten wohl jeden Menschen – Nicht- wie Andersgläubige – um.

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