Das innenpolitische Klima wird rauer

Sozialpartnerschaft und rot-schwarzer Konsens weichen einem harten Parteiendreikampf
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Über Jahre hinweg war der Mai-Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz nicht viel mehr als eine rote Folkloreveranstaltung. Der Protest der einen oder anderen Gruppe gegen eine Sparmaßnahme der Bundesregierung war das höchste der Gefühle. In der Regel stand der Kanzler wachelnd auf der Mai-Tribüne und regierte die restlichen 364 Tage im Jahr gemeinsam mit der ÖVP.

Diese beschaulichen Zeiten sind vorbei. Heuer waren wieder mehr Menschen gekommen, noch mehr rote Kampfsymbole zu sehen, noch mehr Konzernkritik und noch schärfere Reden zu hören. Bürgermeister Michael Ludwig nahm gar Bezug auf die Dreißigerjahre und die Verhaftung des legendären Bürgermeisters Karl Seitz, als er das Rote Wien gegen die Bundesregierung verteidigte.

Die türkis-blaue Regierung trägt aber auch das Ihre zum Anheizen der Stimmung bei: AK-Beiträge senken, Gewerkschafter aus der Sozialversicherung drängen, Gebietskrankenkassen abschaffen und ein Stundenlohn von 1,50 Euro für Asylwerber sind der Stoff, der die SPÖ-Basis mobilisiert. Nicht zu vergessen der Vizekanzler, der sich mit voller Absicht eines rechtsextremen Schlüsselworts bedient, um damit Wahlkampf zu betreiben.

Sebastian Kurz versucht, mit Steuersenkungen, strammem Anti-Migrationskurs und seinem Kanzlerbonus die ÖVP auf der Erfolgsstraße zu halten.

Sozialpartnerschaft und rot-schwarzer Grundkonsens sind ziemlich am Ende, das wird jetzt erstmals richtig sichtbar. An deren Stelle tritt ein mit harten Bandagen geführter Dreikampf. Die EU-Wahl am 26. Mai wird ein erster Test der neuen Verhältnisse.

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