Bloß nirgendwo anecken
Bei der Prosa wurde dick aufgetragen: Diese Regierung will „allen Menschen im Land mehr Freiheit und weniger staatliche Einschränkungen geben“, heißt es in den Eckpunkten zur Steuerreform.
Erster Eindruck: Die Änderungen und Entlastungen sind solide (auch der Familienbonus), aber ein Befreiungsschlag vom hohen Steuerdruck oder gar ein Systemwechsel ist da nicht. Es müssen dafür keine neuen Schulden gemacht werden. Sehr gut, aber kein Kunststück angesichts sprudelnder Einnahmen. Es herrscht noch Hochkonjunktur und damit Beschäftigtenhöchststand. Die kalte Progression tut ihr Übriges (Inflation und das Hineinwachsen in höhere Steuerstufen schmälern Lohnzuwächse). Beide Regierungspartner stellen ihre Klientel zufrieden. Die ÖVP die kleinen Gewerbetreibenden. Die FPÖ den „kleinen Mann“.
Wir bleiben ein großzügiger Wohlfahrtsstaat. Für Kleinverdiener ist eine weitere Entlastung vorgesehen. Bis zu einem Jahresgehalt von 14.700 Euro zahlt man schon jetzt gar keine Einkommenssteuer, aber als Arbeitnehmer 158 Euro Sozialversicherung. Nun sollen auch die Sozialversicherungsbeiträge für die Geringverdiener sinken. Auswirkung auf die daran gekoppelten (und ebenfalls reichlich sprudelnden) Arbeiterkammerbeiträge wird das nicht haben. Bloß keine Provokation. Im Gegensatz zu Wolfgang Schüssel setzt Sebastian Kurz auf einen „nice guy“-Kurs. Dem Oppositions-Spin, dass dies eine Regierung für die „Großkonzerne“ sei, wird keine neue Nahrung gegeben. (Das alles wird die Gegner nicht daran hindern, diese Regierung weiterhin zu dämonisieren).
Öko? Nur theoretisch toll
Für Kleinunternehmer, die bei der letzten Reform dank Registrierkassapflicht schwer vergrault wurden, gibt es Erleichterungen, ohne dass sie wieder neue Belastungen fürchten müssen. Ausständig ist eine echte Entbürokratisierung. (Haben Sie schon einmal versucht, eine E-Rechnung an den Bund zu stellen? Oder noch schlimmer: ein Geschäft übernommen und dafür eine neue Betriebsanlagengenehmigung gebraucht?)
Eine Erhöhung der Mineralölsteuer wurde nicht gewagt, weil das Mantra gilt: keine neuen Massensteuern. Die Benzinsteuer-Erhöhung war einer der Gründe für den französischen Gelbwesten-Aufstand. Merke: Ökologisierung kommt nur in der Theorie gut an. Man hätte eine Erhöhung argumentieren können: Weil diese Steuer in Österreich vergleichsweise niedrig ist, haben wir hohen Tanktourismus, damit eine (theoretisch) höhere Emissionsquote . Damit verfehlt man die Klimaziele.
Fazit: Diese Koalition spult ihr Programm unbeirrt bis zur nächsten Nationalratswahl ab, wo die Steuerquote das angepeilte Ziel von 40 Prozent erreichen soll. Jeder einzelne Zwischenschritt bis dahin wird groß zelebriert. Natürlich steht diese Regierung wegen der blauen Regierungsbeteiligung unter stärkerer Beobachtung. Aber sie hat gleich doppelt Glück: Hochkonjunktur plus schwache Opposition machen das Regieren einfacher.
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