Zuwanderung: Was die Schweiz und die EU (nicht) verbindet

Plakat zum Schweizer Referendum, mit dem die Zuwanderung begrenzt werden soll
Es lohnt sich, auseinanderzuhalten, worum es den Eidgenossen bei ihrem Referendum ging - und worum sich die Einwanderungsdebatte in der EU dreht.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Die Staaten haben es selbst in der Hand.

von Philipp Hacker-Walton

über Zuwanderung in der EU

Es ist ein Dauerthema in der EU – und noch dazu eines, das bei den Wahlen Ende Mai eine entscheidene Rolle spielen dürfte: Die Debatte über die Zuwanderung in der Union.

Mit dem Referendum in der Schweiz vergangenen Sonntag hat diese Debatte jetzt neuen Schwung erhalten: Die Rechten jubeln über das "Nein zur Massenzuwanderung", einzelne EU-Staaten wie Großbritannien sehen sich bestätigt, weil die Abstimmung in der Schweiz, so sieht es zumindest der britische Premier David Cameron, auch die "wachsende Sorge" über Migration in der EU widerspiegle.

Camerons Regierung versucht ja selbst seit ein paar Monaten, in Brüssel eine Mehrheit dafür zu bekommen, dass die einzelnen Länder die Zuwanderung von EU-Ausländern wieder stärker begrenzen dürfen. Die Briten haben zuletzt den Zugang zu Sozialleistungen bei EU-Einwanderern verschärft und würden am liebsten wieder Ausländer-Quoten für die Zuwanderung einführen.

Worum es wem geht

Abgesehen von der Frage, ob die EU-Staaten nicht in Summe – wie das Statistiken und Studien nahelegen – von der Zuwanderung von EU-Ausländern profitieren, weil diese oft überdurchschnittlich gut ausgebildet sind, damit überdurchschnittlich gut verdienen und somit unterm Strich, als Gruppe, mehr in die Steuer- und Sozialsysteme einzahlen als sie an Sozialleistungen wieder herausnehmen, müssen hier einige Sachen getrennt werden.

Und die Briten müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie hier aus innenpolitischen Gründen und um "gegen Brüssel" zu punkten, eine Scheindebatte führen.

Der Reihe nach.

Zuallererst sollte auseinander geklaubt werden, was in den Reaktionen auf das Schweiz-Referendum miteinander vermischt worden ist. Mit den Einwanderungs-Sorgen und -Ängsten, die – in unterschiedlicher Tonlage – von der deutschen Regierung über die Briten bis hin zu den europäischen Rechten gibt, hat das Schweizer Votum nämlich nicht viel zu tun.

Die Sorgen der Schweizer ...

In die Schweiz ziehen aus der EU hauptsächlich Deutsche und Italiener; wer dauerhaft in der Schweiz bleiben will, muss einen Job haben oder ausreichend Vermögen, um sich selbst zu versorgen.

Was dann das Problem der Schweizer ist?

Erstens, dass es eng wird in der Schweiz ("Dichtestress" nennen das die Eidgenossen), weil in den letzten Jahren sehr viel mehr EU-Bürger gekommen sind als man erwartet hat: Rund 80.000 pro Jahr – zehn mal so viel wie prognostiziert worden war.

Zweitens, dass es in manchen Regionen, zb dem Tessin, das an Italien grenzt, die Sorge bzw. den Eindruck gibt, dass die "billigen" Italiener den Einheimischen, deren Lebensstandard im Schnitt deutlich höher ist, mit niedrigeren Löhnen die Jobs wegnehmen bzw. die Gehälter drücken würden.

... und jene der EU-Staaten

Die aktuelle Einwanderungsdebatte in der EU dreht sich um ganz andere Sorgen: Dass nämlich aus ärmeren "neuen" Mitgliedsstaaten, vor allem Bulgarien und Rumänien, die Menschen in Scharen in reichere EU-Länder wie Deutschland, Österreich oder Großbritannien ziehen – und zwar mit dem Ziel, die dortigen Sozialsysteme in Anspruch zu nehmen.

Woran man auch sieht, dass es eigentlich um zwei sehr unterschiedliche Fragen gibt: Selbst die Briten, die die Zuwanderungs-Politik in der EU über neue Ausländer-Quoten regeln wollen, haben nichts gegen EU-Bürger, die nach Großbritannien kommen, um dort zu arbeiten. In der britischen Debatte dreht es sich – wie in anderen Ländern – fast ausschließlich um jene Einwanderer, die kommen und keinen Job finden (wollen) – und dann noch Sozialleistungen beziehen wollen.

Die Scheindebatte der Briten

Das ist auch der Punkt, in dem man den Briten vorwerfen kann, hier eine Scheindebatte angezettelt zu haben, nur um sich "mit Brüssel" anzulegen: Das Recht, sich als EU-Bürger ohne Bedingungen in einem anderen EU-Staat aufzuhalten, gilt ohnehin nur für drei Monate. Danach dürfen nur jene automatisch bleiben, die einen Job haben. Für alle anderen kann jedes Land selbst festlegen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie bleiben dürfen.

In Österreich ist die Lage laut Innenministerium eindeutig: Wer bleiben will, muss sich bei der Behörde melden und die "Rechtmäßigkeit" des Aufenthaltes darlegen, sprich: Einen Job oder ausreichend Vermögen vorweisen. Ansonsten kann die Fremdenbehörde ein Ausweisungsverfahren starten.

Solche Regeln kann jedes EU-Land problemlos erlassen. Nur eines geht eben innerhalb der EU nicht: Den Zuzug jener zu begrenzen, die kommen, um zu arbeiten.

Aber wer will das schon, außer den Schweizern?

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