Notizen aus Straßburg: Einstand, Abschied, Porno-Kino
Viele plagt das Nicht-Aufhören-Können
Letzte Plenarwoche des EU-Parlaments vor der Wahl in fünf Wochen, das heißt: Viele Themen, viele Abstimmungen - und viel Wahlkampf. Für viele Abgeordnete heißt es auch, nach Jahren, teilweise Jahrzehnten, von Straßburg als Arbeitsplatz Abschied zu nehmen.
Genau umgekehrt war es diese Woche für Claudia Schmidt, die als Listen-Vierte der ÖVP bei der EU-Wahl mit einem sicheren Mandat rechnen darf. Schmidt kam diese Woche schon einmal nach Straßburg, besuchte das Parlament und lernte das ÖVP-Team kennen.
Ihr Besuch hatte auch eine Wahlkampf-Message: Die ÖVP tritt geschlossen auf - im Gegensatz zu den Mitbewerbern. Die Delegationen von SPÖ und FPÖ mussten in dieser Parlamentswoche ohne ihre Spitzenkandidaten Eugen Freund bzw. Harald Vilimsky auskommen.
In der "Member's Bar" der EU-Abgeordneten wurden diese Woche auch einige Sekt- bzw. Champagnerflaschen geköpft, angestoßen wurde auf die Arbeit der ablaufenden Legislaturperiode, auf einen guten Wahlkampf - oder eben auch auf den Abschied vom EU-Parlament.
Zwei, die die Arbeit im Parlament in den vergangenen Jahren prägten, hatten am Mittwoch mit teils ergreifenden Reden ihren letzten großen Auftritt: SPÖ-Fraktionschef Hannes Swoboda, der nach 18 Jahren im EU-Parlament nicht mehr kandidiert und Grünen-Ikone Daniel Cohn-Bendit, der nach 20 Jahren als EU-Mandatar aufhört.
Emotionaler Abschied
Cohn-Bendit hielt einen leidenschaftlichen Appell für ein föderales Europa und forderte: "Für Europa braucht es eine Vision, nicht nur Kompromisse." Für ihn gab es langen Applaus von den anderen Abgeordneten - und ein Abschiedskompliment von Landsmann Martin Schulz: "Sie werden dem Parlament fehlen", sagte der Parlamentspräsident, "mit Ihnen kann man wunderbar streiten".
Swoboda will sich nach der EU-Wahl nicht ganz aus der Politik zurückziehen. Im Interview mit "profil" hat er angekündigt, seine Erfahrung an die nächste Politikergeneration weitergeben zu wollen, ein Projekt im Südkaukasus sei in Planung. Auch die Grüne Eva Lichtenberger, die nicht mehr kandidiert, meint, man werde sie "in der einen oder anderen Rolle" noch sehen.
Ganz anders der einzige ÖVP-Aussteiger, Hubert Pirker: "Ordentlich oder gar nicht" sei sein Motto gewesen - und so will er auch in Politik-Pension gehen. Das Nicht-Aufhören-Können, das viele langjährige Politiker am Ende der Karriere plagt, sei für ihn kein Problem, sagt Pirker.
"Nach Deutschland ins Porno-Kino"
Joseph Daul, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, hört ebenfalls auf. Bemerkenswerter als sein Abschied war diese Woche allerdings sein Ansatz, wie er jungen Menschen die EU so erklärt, "dass sie sofort sehen, wozu Europa gut ist".
Denn Daul hat, wie er der Zeitung "Les Dernieres Nouvelles d'Alsace" sagte, ein recht eigenwilliges Argument für ein Europa mit gemeinsamer Währung und offenen Grenzen: Er sei als Jugendlicher des öfteren mit seinen Freunden von Straßburg aus über den Rhein und über die Grenze nach Deutschland gefahren - ins Porno-Kino.
Dabei seien nicht nur die unterschiedlichen Währungen, sondern auch die Grenzkontrollen ein Problem gewesen, erinnert sich Daul: "Als wir endlich im Kino ankamen, war der Film zu Ende."
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