Hearings der Kommissare: Schwachstellen bei den Kandidaten und im Verfahren

Stolperstein Hearing: Die Kandidatin überzeugte das EU-Parlament nicht.
Eine Zwischenbilanz nach zwei Wochen mit 27 Kandidaten und 80 Fragestunden.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Bei manchen war es reine Show.

von Philipp Hacker-Walton

über die Anhörungen der neuen Kommissare

Die Hearings der designierten Kommissare der Juncker-Kommission sind abgeschlossen - oder zumindest die erste Runde. Nachdem die slowenische Kandidatin Alenka Bratusek vom Parlament abgelehnt wurde und sich dann "freiwillig" zurückzog, muss zumindest ihre Nachfolgerin noch gehört werden und vielleicht noch ein, zwei andere Kommissare, die noch das Ressort wechseln.

Zeit für eine Zwischenbilanz - ein paar Gedanken nach zwei Hearingwochen mit 27 Kandidaten und rund 80 Fragestunden:

1. Die Hearings sind wichtig

Es ist notwendig, einen Eindruck von der neuen Kommission und ihren Plänen zu erhalten und die einzelnen Kommissare abzuklopfen - auch, wenn bei den meisten von Anfang an zu erwarten war, dass sie unabhängig von ihrer Leistung nicht ausgetauscht werden würden. Das wäre bei einigen durchaus angebracht gewesen, denn:

2. Manche waren überraschend schwach

Ja, es gab ausgezeichnete Hearings mit brillierenden Kandidaten - das beste Beispiel dafür war Frans Timmermans, bei dem man eine gute Ahnung davon bekam, warum Jean-Claude Juncker ihn als seine "rechte Hand" in der Kommission haben will.

Dem gegenüber stand eine Reihe von wirklich schwachen Hearings: Wie wenig etwa Bratusek zur Energie-Union zu sagen hatte, war schon erstaunlich. Bei so viel Kritik im Vorfeld - müsste man sich da nicht viel besser vorbereiten, sich etwas einfallen lassen? Man müsste.

Das Hearing der designierten Justizkommissarin Vera Jourova? Eine glatte Enttäuschung.

Und auch was Günther Oettinger bei seinem Hearing zu manchem Online-Thema daherfaselte, war abenteuerlich - ob jemand mit der "falschen" Parteifarbe und aus einem weniger mächtigen Land sich das hätte leisten können? Eher nicht.

Das bringt uns direkt zu:

3. Einige Hearings waren reine Show

So wie bei Oettinger klar war, dass sein Hearing inhaltlich kaum schlecht genug sein konnte, damit er eine negative Empfehlung erhält, war bei anderen schon im Vorfeld klar, dass es hier nicht die sachliche Befragung geben würde, als die die Hearings im Parlament so gerne gelobt werden.

Dass etwa Pierre Moscovici von konservativen Abgeordneten drei Stunden lang immer und immer wieder die selben Fragen zum französischen Budget, das er als Finanzminister eine Zeit lang mitverantwortet hat, gestellt bekam, war nur öd und wahrlich keine "Sternstunde des Parlamentarismus", von der in den letzten Tagen so oft die Rede war. Dass Miguel Arias Canete hauptsächlich zu den Verbindungen seiner Familie zu Ölfirmen befragt wurde, war nicht viel besser - Canete hat ohnehin keine Antworten gegeben, also hätte man die Sache gleich an die Rechtsexperten im Parlament delegieren können (was dann im Anschluss der Fall war).

4. Es blieben (zu) viele Fragen offen

Und zwar besonders viele bei der Arbeitsteilung innerhalb der Kommission: Junckers Idee mit den Kommissars-Gruppen, die von den Vizepräsidenten koordiniert werden, hat Charme. Klar, das System ist neu - aber hätte man nicht etwa schon vor dem Hearing von Moscovici wissen sollen, wer die Eurozone auf internationalem Parkett wo vertritt?

Und hätte sich Juncker - nach all der öffentlichen Kritik daran - nicht vor dem Hearing von Cecilia Malmström mit der designierten Handelskommissarin auf eine Linie zu den umstrittenen Schiedsgerichten im TTIP-Abkommen einigen können? Das Ergebnis war ein wenig ruhmreiches Chaos, nachdem das Juncker-Kabinett Malmström bei ihren schriftlichen Antworten ans Parlament (vor dem Hearing) ein dezidiertes "Nein" untergeschoben hatte - und Malmström ebendieses "Nein" beim Hearing selbst dementierte.

5. Die Kommission muss rascher gebildet werden

Das hat weniger mit den Hearings zu tun als mit dem Nominierungsprozess: Es sollte einfach nicht sein, dass das neue Parlament Ende Mai gewählt wird und die Kommission frühestens Anfang November ihre Arbeit aufnimmt.

Die nationalen Regierungen sollten sich schneller auf einen Kommissionspräsidenten einigen und dann schneller ihre Kandidaten nominieren - und zwar gleich mehrere: Für unterschiedliche Fachbereiche, nach Möglichkeit Männer und Frauen. Das sollte den Prozess beschleunigen, dem Kommissionschef mehr Auswahl und Qualität bescheren.

Warum es wichtiger wäre, die Kommission rascher zu bilden, zeigt sich dieser Tage gleich mehrfach: Dass womöglich die Barroso-Kommission sich noch um die Budgetentwürfe für 2015 kümmern wird und vielleicht drei Tage vor dem planmäßigen Amtsantritt der Juncker-Kommission noch eine Rüge an Frankreich verteilt, ist nicht nachvollziehbar.

Und dass - wie diese Woche geschehen - die neue Kommission bei den Hearings groß über die Klima- und Energiepolitik der nächsten Jahre philosophiert und gleichzeitig die alte Kommission noch schnell die britischen Beihilfen für einen AKW-Ausbau genehmigt, ist schlicht untragbar - unabhängig davon, wie man zur Atomkraft steht.

An dieser Stelle gibt es jeden Freitag " Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.

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