Fraktionsbildung im EU-Parlament: Es wird gerechnet, gefeilscht - und gewechselt
Wahlsieger Farage könnte bald alleine dastehen.
Nach der Europa-Wahl vor zwei Wochen hat im EU-Parlament das große Rechnen begonnen. Schon am Wahlabend war klar, dass die Europäische Volkspartei (EVP) wieder vor den Sozialdemokraten die stärkste Kraft sein würden. Wie viele Mandatare die einzelnen Fraktionen aber genau haben werden, das ist noch immer unklar. Zwar gibt es längst die Endergebnisse aus den 28 Mitgliedsstaaten, doch haben sich (vor allem von den erstmals ins Parlament gewählten) noch nicht alle Parteien bzw. Abgeordneten deklariert, welcher Fraktion sie angehören wollen.
Während sich auf der "linken" Seite des Parlaments relativ wenig tut, ist rechts von der Mitte ein spannendes Feilschen im Gang, bei dem sich zwischen den Fraktionen einiges verschiebt.
Diese Woche haben die rechtspopulistische Dänische Volkspartei und die "Wahren Finnen" einen Wechsel vollzogen: Beide waren ursprünglich auch als mögliche Partner der FPÖ im Gespräch, haben sich aber recht bald dahingehend geäußert, dass sie einer der moderateren euroskeptischen Gruppen angehören möchten. Statt wie bisher bei der EFD-Fraktion ("Europa der Freiheit und der Demokratie"), die von der UK Independence Party geführt wird, werden sie künftig bei der EKR ("Europäische Konservative und Reformisten") mitmachen, wo die britischen Konservativen stärkste Kraft sind. Die Tories dürften auch dem Beitritt der Alternative für Deutschland zustimmen, die erstmals in Brüssel vertreten ist.
Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens zeigt sich, dass selbst explizit euroskeptische Gruppen nicht unbedingt mit dem Rechtsbündnis von FPÖ, Front National & Co. bzw. den EU-Gegnern von UKIP kooperieren wollen, denen allen gemein ist, dass sie aus der EU austreten oder zumindest über den Austritt abstimmen lassen wollen.
Zweitens dürfte sich rechts von den Tories und der EKR weiter nur eine Fraktion ausgehen. UKIP/EFD sind mit der Dänischen Volkspartei und den "Wahren Finnen" gerade zwei Kooperationspartner verloren gegangen. UKIP-Chef Nigel Farage führt schon Gespräche mit Beppe Grillo, der mit seiner Fünf-Sterne-Bewegung 17 Mandate errungen hat. Selbst wenn die zwei zusammenfinden, müssen sie sich noch nach weiteren Partnern umsehen.
Wird es mit der Zusammenarbeit mit Grillo nichts, muss Farage hoffen, dass ihm die Lega Nord erhalten bleibt, um auf 25 Mandatare (kein Problem) aus sieben Ländern (größeres Problem) zu kommen. Die LN will eigentlich - wie berichtet - raus aus der EFD und mit der FPÖ, dem Front National, dem begischen Vlaams Belang und der niederländischen Freiheitspartei von Geert Wilders eine neue Rechtsfraktion gründen. Diesen Plan hat das Quintett schon vor einigen Monaten verkündet - die Partner Nr. 6 & 7 sind aber bis heute nicht gefunden ...
Bei der Fraktionsbildung geht es nicht nur um Redezeit im Parlament und die Möglichkeit, in den einzelnen Ausschüssen Berichte zu verfassen - das ist einem EU-Gegner wie Farage wohl herzlich egal -, sondern vor allem um viel Geld.
Einer Fraktion mit 38 Abgeordneten - das dürfte in etwa der Größe der FPÖ-Gruppe entsprechen, so sie denn zustande kommt - stehen laut Berechnungen des britischen Think-Tanks Open Europe rund 22 Millionen Euro zu für die fünf Jahre, auf die das Parlament gewählt wird:
- Rund drei Millionen jährlich für die Fraktion selbst
- 900.000 Euro pro Jahr für eine europäische Partei, die mit der Fraktion verbunden ist
- 570.000 Euro pro Jahr für einen Think-Tank oder eine ähnliche Organisation der Gruppe
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