EU-Wahl: Prognosen, Trends und wohin das Parlament rückt

Parlamentssaal in Straßburg: Die Abgeordneten müssen Nebeneinkünfte angeben - aber nicht sehr exakt
Für eine genaue Sitzverteilung ist es noch zu früh - doch ein paar Trends ziehen sich seit einem Jahr durch die Prognosen.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es gibt einen Rand-, keinen Rechtsruck.

von Philipp Hacker-Walton

über Prognosen zur EU-Wahl

Drei Monate vor der Europa-Wahl häufen sich nun die nationalen und EU-weiten Umfragen. Diese Woche hat die Plattform „Pollwatch“ eine Prognose vorgelegt, basierend auf Umfragen. Überraschend war, wie deutlich Pollwatch derzeit die Sozialdemokraten vor den Christdemokraten sieht (217 zu 200 Sitze). Ansonsten haben sich Trends bestätigt, die sich seit gut einem Jahr durch die Prognosen ziehen – und um die soll es diese Woche gehen.

Ein Überblick darüber, was (nach heutigem Stand) uns am Wahlabend erwartet.

Es gibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins

Alle bisherigen Prognosen haben eines gemeinsam: Sie sagen starke Verluste voraus für Christdemokraten, derzeit mit 275 Sitzen stärkste Fraktion im EU-Parlament – und gleichzeitig Gewinne für die Sozialdemokraten (derzeit 194). Beide Gruppen dürfen im neuen Parlament mit jeweils 200 bis 220 Sitzen rechnen.

Wer die Nase vorn haben wird, lässt sich noch nicht sagen. Bei Pollwatch sind es derzeit, wie gesagt, die Sozialdemokraten; in Prognosen, die im EU-Parlament kursieren, hat die Spitzenposition im vergangenen Jahr einige Male gewechselt. Das Kopf-an-Kopf-Rennen wird auch deswegen spannend, weil davon abhängen soll, wer von den Regierungschefs als neuer Kommissionspräsident nominiert wird (mehr dazu in einem der nächsten Blog-Beiträge).

Die Mitte wird kleiner

Neben den massiven Verlusten für die Europäische Volkspartei, die bis zu 25 Prozent ihrer Sitze verlieren dürfte, werden auch die derzeit dritt- und viertstärkste Gruppe im Parlament in der nächsten Periode schwächer vertreten sein: Sowohl die Liberalen (derzeit 85 Sitze) als auch die Grünen (58) müssen sich auf Verluste von rund 20 Prozent einstellen. In Summe werden Sozial- und Christdemokraten, Liberale und Grüne statt derzeit 612 nur noch rund 525 Sitze haben (was zu einem kleinen Teil auch damit zu tun hat, dass die Zahl der Abgeordneten von 766 auf 751 gesenkt wird) – die deklariert pro-europäische Mitte wird nach der Wahl also deutlich schwächer sein als bisher.

Aber: Es gibt einen Rand-, keinen Rechtsruck

Wenn die Mitte kleiner wird, wächst der Rand, logisch. Aber eben nicht nur, wie das manchmal prognostiziert wird, auf der rechten Seite - sondern auch auf der linken. Die Zahl der rechten Fraktionslosen wird sich von derzeit rund 30 Mandaten verdoppeln. Gleichzeitig wird die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken von 35 auf gut 50 Abgeordnete wachsen, dazu kommen rund 20 linke Fraktionslose.

Unterm Strich ergibt sich ein - nach Links-rechts-Aufteilung - symmetrisches Parlament - was angesichts der derzeitigen leichten Rechtsmehrheit sogar einen Linksruck bedeuten würde.

An dieser Stelle gibt es jeden Freitag "Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.

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