EU-Wahl: Nächtliches Rechnen am Sonntag, hektische Tage danach

Seit Donnerstag wird in Europa gewählt - die letzten Stimmen werden Sonntagabend in Italien abgegeben. Dann beginnt das große Rechnen - und das Rennen um die Spitze der Kommission.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Die Sitzverteilung ist mit Vorsicht zu genießen

von Philipp Hacker-Walton

über den EU-Wahlsonntag

Onno Hoes hat in den ersten Minuten des Donnerstag den Anfang gemacht: Um Mitternach öffnete in Maastricht das erste Wahllokal für die Europa-Wahlen, Bürgermeister Hoes gab als erster seine Stimme ab:

Bis Sonntag Abend sind rund 400 Millionen EU-Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Ein kleiner Wahlführer für den Wahlsonntag selbst und die Tage danach.

Nächtliches Rechnen

Es wird spät werden, bis es am Sonntag die ersten offiziellen Ergebnisse gibt: Die letzten Wahllokale schließen in Italien schließen erst um 23 Uhr, bis dahin dürfen keine Resultate veröffentlicht werden. Zu 100 % wird das voraussichtlich nicht halten: In den Niederlanden ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass die Ergebnisse in den einzelnen Wahllokalen nach der Auszählung öffentlich verkündet werden - im Zeitalter von Twitter & Co. dürfte es nicht lange dauern, bis diese Einzelergebnisse zu einem (relativ akkuraten) Gesamtergebnis zusammengerechnet werden.

Das EU-Parlament in Brüssel will am Sonntag ab 18 Uhr Nachwahl-Befragungen aus 17 Staaten veröffentlichen - darunter Deutschland, Frankreich und Österreich. Ab 21 Uhr soll es außerdem erste Prognosen zur Wahlbeteiligung geben.

Gegen 22 Uhr wollen die Experten im Parlament dann eine erste gesamteuropäische Hochrechnung auf Basis von Exit-Polls und bis dahin vorliegenden Ergebnissen veröffentlichen. Ab 23 Uhr, wenn auch in Italien nicht mehr gewählt werden kann, gibt es dann offizielle Ergebnisse.

Die ersten genaueren Prognosen zur Sitzverteilung im neu gewählten Parlament wird es vermutlich erst in der Nacht geben: Bis 4 und ab 6 Uhr wird die Hochrechnung des Parlaments laufend aktualisiert.

Warten auf Fraktionsbildung

Die große Frage ist: Wann wird man mit Sicherheit wissen, ob die Europäische Volkspartei oder die Sozialdemokraten die größte Fraktion im Parlament stellen wird? Die unbefriedigende Antwort: Das könnte dauern.

Bei einigen Parteien, nicht nur solchen, die neu ins Parlament gewählt werden dürften, ist nämlich noch nicht klar, welcher Fraktion sie sich anschließen werden. Das sollte man auch im Hinterkopf haben, wenn es die ersten Hochrechnungen zur Sitzverteilung gibt: Einige jener, die am Wahlabend als "fraktionslos" eingeordnet werden, werden sich einer bestehenden Fraktion anschließen - nur von der Zahl der Fraktionslosen, unter denen viele rechte und euroskeptische Abgeordnete sind, lässt sich also nicht auf einen etwaigen "Rechtsruck" schließen.

Zurück zur Frage nach der stärksten Fraktion: Bewegt sich der Abstand zwischen EVP und S&D am Wahlabend in der Hochrechnung der Sitzverteilung (die auf Basis der bisherigen Zugehörigkeit erstellt wird) bei 10 oder 20 Mandaten, dann muss man wohl abwarten, bis alle ihre Zugehörigkeit für die kommenden fünf Jahre deklariert haben. Das könnte, sagen erfahrene Parlamentarier, gut bis eine Woche nach der Wahl dauern.

Schulz oder Juncker oder ???

Schon in den zwei Tagen nach der Wahl werden die ersten Weichen für die Wahl des neuen Kommissionspräsidenten gestellt: Ist am Montag oder Dienstag schon klar, welche Fraktion Nummer eins ist, könnte dessen Bestellung sogar recht schnell gehen. Am Dienstag gibt es ein Treffen der Fraktionsführer im Parlament, bei dem geklärt werden soll, ob Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz mit einer Mehrheit bei der Abstimmung im Parlament rechnen kann.

Diese Einschätzung geht direkt weiter an Ratspräsident Herman Van Rompuy, der Dienstag Abend die Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Abendessen empfängt. Dabei soll, so Van Rompuy, nur über das Prozedere bei der Bestellung des Kommissionschefs gesprochen werden - nicht aber über Namen, wie Van Rompuy in seinem Einladungsbrief an die Polit-Spitzen schreibt:

Trotzdem dürfte man nach dem Dinner schon ein ganz gutes Gefühl dafür kriegen, ob es Juncker, Schulz oder ein Dritter werden soll bzw. wie schwierig es sein wird, Juncker oder Schulz gegen die Skepsis vieler Regierungschefs und das explizite Veto (mindestens) der Briten durchzubringen.

Eine formale Nominierung wird es am Dienstag definitiv nicht geben - sie dürfte erst ein Monat nach der Wahl, beim Juni-Gipfel der Staats- und Regierungschefs (26./27.) erfolgen. Auch das ist für den offiziellen Zeitplan völlig ausreichend: Im Parlament wird über den Nachfolger von Jose Manuel Barroso ohnehin frühestens Mitte Juli abgestimmt.

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