EU-Topjobs: Was wird Schulz? Folgt ihm Karas als Präsident des EU-Parlaments?

Welchen Job wird Martin Schulz, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der EU-Wahl, künftig machen?
Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten könnte bei der Postenvergabe leer ausgehen. Wenn die Zeit mitspielt, könnte ÖVP-Mann Karas einen Karrieresprung machen.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es winkt ein Top-Job - oder gar nichts

von Philipp Hacker-Walton

über die Zukunft von Martin Schulz

Die große Frage, die derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird, ist: Wird Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident oder nicht? Die kleine Frage, die damit zusammenhängt, lautet: Was wird eigentlich mit Martin Schulz?

Am Wahlabend hatte es in Brüssel Gerüchte gegeben, die Sozialdemokraten könnten - obwohl sie deutlich weniger Sitze als die Europäische Volkspartei erhalten haben - versuchen, eine Mehrheit im Parlament zu organisieren, die sich hinter Schulz stellt. Schon am Tag nach der Wahl war aber klar: Das Parlament, dass die Idee der EU-weiten Spitzenkandidaten im Wahlkampf gepusht hat, stellt sich, um die Spitzenkandidaten-Idee am Leben zu halten, geschlossen hinter Jean-Claude Juncker. Ohne diese Rückendeckung des Parlaments wäre Juncker vielleicht schon beim informellen Abendessen der Staats- und Regierungschefs zwei Tage nach der Wahl "abmontiert" worden.

Dahinter steckte auch eine Vereinbarung, die Juncker und Schulz noch in der Wahlnacht getroffen haben dürften: Schulz zeigt sich als fairer Verlierer, er wird als Verhandlungsführer der Sozialdemokraten versuchen mitzuhelfen, Juncker an die Kommissionsspitze zu hieven - und bekommt dafür selbst einen der anderen EU-Topjobs.

Juncker dürfte damit, so hört man in Brüssel, überhaupt kein Problem haben: Er kann ganz gut mit Schulz, in vielen grundlegenden Dingen sind sich die beiden einig, das hat man auch im Wahlkampf gemerkt.

Also alles paletti für Schulz? Weit gefehlt.

Um Kommissar mit mächtigem Portfolio und vielleicht auch Junckers Stellvertreter in der Kommission zu werden bzw. Nachfolger der Außenbeauftragten Catherine Ashton (die ebenfalls Mitglied der Kommission ist; die Briten haben keinen anderen Kommissar), bräuchte Schulz die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel und von CDU/CSU in Berlin: Die nationalen Regierungen nominieren die Kommissare der einzelnen Mitgliedsstaaten - Merkel und die Union denken aber nicht daran, Schulz statt einen der ihren zu nominieren.

Dabei, so der Verdacht in Brüssel, geht es wohl gar nicht nur darum, dass die Union weiter den deutschen Kommissar stellen will. Das auch, aber aus Merkels Sicht könnte sich durch Schulz' Nicht-Nominierung eine Sollbruchstelle in der Rückendeckung des Parlaments für Juncker ergeben: Geht Schulz leer aus, so die - je nach Sichtweise - Befürchtung/Hoffnung, dann könnten die Sozialdemokraten im Parlament womöglich nicht mehr ganz so geschlossen hinter Juncker stehen. Wackelt aber dessen Mehrheit unter den Abgeordneten, eröffnet das dem Rat die Chance, jemand anderen zu nominieren.

Neuer, alter Job für Schulz?

Welche Alternativen gibt es für Schulz? Er könnte Parlamentspräsident bleiben - doch hier spricht einiges dagegen. Erstens wechseln sich Sozial- und Christdemokraten hier traditionell nach 2 1/2 Jahren ab - demnach wäre jetzt wieder die EVP an der Reihe. Die Frage ist auch, ob es überhaupt noch eine Mehrheit für Schulz geben würde, um ihn mit dem Posten an der Parlamentsspitze zu "versorgen". Ein weiteres Problem: Schulz' beste Chance, das Parlament weiter zu führen, wäre als Teil eines großen Personalpakets, in dem neben Juncker als Kommissionschef auch die Nachfolger von Ratspräsident Van Rompuy und der Außenbeauftragten Ashton enthalten sind. Der Parlamentspräsident soll aber schon am 2. Juli gewählt werden - aus heutiger Sicht ist es unwahrscheinlich, dass das "große" Paket dann schon steht.

Bleibt die S&D-Fraktion: Der bisherige Fraktionschef Hannes Swoboda hat nicht mehr kandidiert, Schulz, der Swobodas Vorgänger war, könnte theoretisch jetzt sein Nachfolger werden. Aber auch hier gibt es viele, die sich dagegen aussprechen: Schulz' große Zeit im Parlament sei vorbei, heißt es. Nachdem er acht Jahre Fraktionschef und 2 1/2 Jahre Parlamentspräsident war, sei es jetzt Zeit für neue, frische Gesichter. Dazu kommt, dass die SPD nicht mehr die stärkste Gruppe in der S&D-Fraktion stellt - das sind mit 31 Abgeordneten jetzt die Italiener, die auch schon Anspruch auf die Fraktionsführung erhoben haben. Und auch hier könnte es ein Zeitproblem geben: Die S&D-Fraktion will planmäßig kommende Woche ihre Vorsitzenden wählen, ev. könnte die Bestellung auf Anfang Juli verschoben werden - aber, siehe oben, es ist unklar, ob bis dahin das Gesamtpaket für Juncker & Co. steht.

Karas als Parlamentspräsident?

Vom Terminkonflikt zwischen den Posten im Parlament und den anderen EU-Topjobs, der für Schulz zum Problem werden könnte, könnte andererseits übrigens Othmar Karas profitieren: Karas ist einer von mehreren Namen, die in der EVP als nächster Parlamentspräsident gehandelt werden.

Seine Chancen stehen und fallen damit, ob der Parlamentspräsident Teil des großen Personalpakets sein wird oder nicht: Wenn ja, hat Karas praktisch keine Chance - Österreich würde einen Topjob nur erhalten, wenn ein Kompromisskandidat aus einem kleinen Land gebraucht wird, und das dürfte eher bei Kommission oder Rat der Fall sein als im Parlament.

Zeichnet sich aber ab, dass sich das Gesamtpaket verzögert bzw. dass die Parlamentsspitze hier nicht mitverhandelt wird, dann gibt es eine "normale" Abstimmung im Parlament, die nicht von den anderen Posten bzw. von Stimmungen im Rat und den Verhandlungen über die Kommission beeinflusst wird. Und dann, glauben Konservative in Brüssel, hätte Karas, der unter den Abgeordneten hohes Ansehen genießt, realistische Chancen.

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