EU-Parlament: Was verdienen die Abgeordneten wirklich nebenbei?
Niemand weiß, wie viele Millionen es sind.
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International hat diese Woche die Plattform IntegrityWatch gestartet, die mit wenigen Klicks ersichtlich macht, was man sich bislang in mühevoller Kleinstarbeit auf der Website des EU-Parlaments zusammensuchen musste: Eine Übersicht über die Nebeneinkünfte der 751 Abgeordneten.
Neu sind nicht die Daten an sich, sondern die Sammlung an einem Platz, die auch gleich für einige Schlagzeilen sorgte, die zumeist so oder so ähnlich lauteten wie jene der Plattform Euractiv:
Entscheidend ist hier das bis zu: Die Abgeordneten verdienen nebenher - völlig legal - 5,8 bis 18,3 Millionen. Eine ziemliche Spanne um mehr als das dreifache, die zeigen, dass das Problem noch viel größer ist als die 18 Millionen aus der Schlagzeile es vermuten lassen würden: Niemand weiß, was die Abgeordneten genau verdienen.
Das liegt zum einen an fehlerhaften Listen, die - leider - die Aussagekraft der Transparency-Plattform IntegrityWatch ziemlich untergraben (was freilich nicht an Transparency liegt, sondern an schlampig ausgefüllten bzw. nicht mehr aktuellen Formularen aus dem Parlament).
Wie viele Fehler es gibt & wie sehr da die Gesamtzahlen schwanken können, zeigt ein Blick auf die Kategorie der (vermeintlichen) Top-Verdiener: Unter den 12 Abgeordneten, die laut IntegrityWatch-Datenbank mehr als 10.000 Euro pro Monat nebenbei verdienen, sind gleich drei aus Österreich. Nimmt man die drei für eine Stichprobe, findet man drei grobe Fehler: Bei Angelika Mlinar (NEOS) wird als "Nebenjob" ihr Nationalratsmandat geführt, ebenso bei Harald Vilimsky ( FPÖ); bei Georg Mayer (FPÖ) ist es das steirische Landtagsmandat. Alle drei haben ihre Mandate freilich mit dem Wechsel ins EU-Parlament aufgegeben. (Update: Vilimskys Angaben wurden mittlerweile, Stand 17.10, korrigiert).
Drei "Spitzenverdiener", die nach kurzem Check allesamt doch nicht über 10.000 Euro nebenbei verdienen dürften - das legt zumindest die Vermutung nahe, dass auch bei einigen anderen Abgeordneten die Zahlen nicht stimmen. Wenn schon bei (mindestens) einem Viertel der "Top-Verdiener" die Zahlen falsch sind - dann ist es gut möglich, dass auch die 18 Millionen als Obergrenze viel zu hoch gegriffen sind.
Der zweite Verzerrungs-Faktor, neben den offensichtlich fehlerhaften Listen, ist die Bandbreite: Die Abgeordneten müssen ihre Nebenverdienste nicht auf den Euro genau angeben - sondern in Kategorien: 0-499 €, 500-1.000 €, 1.001-5.000 €, 5.001-10.000€ und mehr als 10.000 € pro Monat.
Wenn ein Abgeordneter beispielsweise fünf ehrenamtliche Funktionen ausübt, bei denen er nichts verdient, beträgt seine Nebenverdienst-Bandbreite 0-2.495 € pro Monat - oder 0-29.940 € pro Jahr.
Wenn aber jemand einen (oder mehrere) fürstlich entlohne Nebenjob hat, erfährt man nur, dass er "über 10.000 € pro Monat" verdient - ganz gleich, ob es dann 10.001 € oder 20.000 oder 50.000 oder 100.000 € sind.
Das Ergebnis kann für niemanden, der an Transparenz interessiert ist, befriedigend sein: Nicht für die Abgeordneten, die sich zu Unrecht vorwerfen lassen müssen, "Nebenverdienskaiser" zu sein - und nicht für die Wähler, die nur sehr ungefähr wissen, was die Mandatare außerhalb des Parlaments einnehmen.
Lösen ließe sich das recht einfach mit drei Änderungen:
1. Für ehrenamtliche Tätigkeiten die Kategorie "unbezahlte Nebentätigkeit" einführen (statt 0-499 €)
2. Für Nebenjobs, die mit 500 bis 10.000 € pro Monat entlohnt werden, die Kategorien abschaffen & den Verdienst auf die nächste 500er-Stelle runden
Präsident Hiltswerk Ö 0 ↝ 499 € Obmann des Bürgerforum Europa 2020 0 ↝ 499 € Ehrenprofessur der Donau Uni Krems 0 ↝ 499 € Vorsitzender des Robert Schuman-Instituts 0 ↝ 499 € Vorsitzender der Intergroup3. Für Nebenjobs über 10.000 € eine verpflichtende, halbjährliche Angabe auf den nächsten Tausender
Das würde nicht nur für mehr Transparenz sorgen - sondern auch für zutreffendere Schlagzeilen.
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