Die Gurken der Kommission und Hahns Krampf mit dem Olivenöl

Die Gurken der Kommission und Hahns Krampf mit dem Olivenöl
Was als Brüsseler Regulierungswut wahrgenommen wird, entspringt oft Ideen der Mitgliedsstaaten. Kommissar Hahn erklärt das am Beispiel der gescheiterten Olivenölkännchenverordnung.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es ist, wenn an Wirts- oder Kaffeehaustischen über die EU diskutiert wird, eine der häufigsten Klagen: Was die in Brüssel schon wieder ausgeheckt haben, was sie schon wieder regeln wollen. Da fällt dann auch schnell das Beispiel der berühmten Gurkenkrümmungsverordnung, gefolgt von der grantig-ratlosen Frage: Haben die in Brüssel nichts Besseres zu tun?

Die "Regulierungswut" gerade der EU-Kommission ist freilich nicht nur in Stammtisch-, sondern auch in Politiker-Kreisen Thema - und da längst nicht nur bei Kritikern der Union. Auch deklarierte Pro-Europäer haben oft den Eindruck, dass mittlerweile zu viel auf europäischer Ebene geregelt wird.

Umdenken in Brüssel

Doch das könnte sich bald ändern, meint Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn: "Wir sollten im EU-Wahlkampf die Diskussion führen, was muss auf europäischer Ebene geregelt werden und was nicht." Die nächste EU-Kommission, die 2014 ins Amt kommt, werde sich auch "intensiv damit beschäftigen müssen, Wünsche aus den Mitgliedsstaaten im Keim zu ersticken".

Denn es sei, so Hahn, selten ein regulierungswütiger Selbstzweck, den die Brüsseler Behörden veranstalten würden - sondern ihr Job. Lassen Sie uns das, was Hahn meint, an einem Beispiel betrachten, das schon als "Gurkenkrümmungsverordnung 2.0" bezeichnet wurde: Die Olivenölkännchenverordnung.

Die Olivenölkännchenverordnung

Zur Erklärung kurz der Inhalt der Verordnung: Aus Gründen der Hygiene und des Konsumentenschutzes sollten offene, wiederbefüllbare Kännchen mit Olivenöl in Restaurants verboten werden. Mit geschlossenen, nicht wiederbefüllbaren Fläschchen sollte dafür gesorgt werden, dass 1) weniger Keime ins Öl kommen und 2) die Wirte das Öl nicht "panschen" können.

Nachdem die EU-Kommission ihren entsprechenden Plan vorgelegt hatte, gab es in einigen Ländern helle Aufregung - und der Vorschlag wurde prompt wieder zurückgezogen. Übrig blieb am Ende der öffentlichen Debatte nicht nur in Österreich die Klage, dass die Brüsseler Bürokraten jetzt auch noch das Olivenöl am Restauranttisch regulieren wollen.

"Einen Krampf gekriegt"

Hahn versteht zwar das Unverständnis über den Vorschlag - auch er habe "einen Krampf gekriegt, als ich davon hörte", sagte Hahn diese Woche bei einem Mitagessen mit Journalisten (mit Olivenölkännchen am Tisch). Doch sei die Darstellung der Causa stark verzerrt: "Das war eine Initiative der Mitgliedsstaaten."

Genauer: Jener Staaten, in denen Olivenöl produziert wird. Sie rechneten sich offenbar ein gutes Geschäft mit den Einweg-Fläschchen aus - und brachten die Idee in den EU-Ministerrat ein. Dort, sagt Hahn, "waren 15 Staaten dafür, sieben dagegen und fünf haben sich der Stimme enthalten".

Eine klare Sache also - und damit ein klarer Auftrag an die Kommission, ihren Job zu tun, sprich: eine EU-Richtlinie auszuarbeiten.

Nord- vs. Südländer

Als diese dann präsentiert und wenig später wieder zurückgezogen wurde, sei die Diskussion in zwei Extremen verlaufen, sagt Hahn: Die "Nordländer" hätten sich über die Regulierungswut der Kommission empört. "Da war die Botschaft: Die EU-Kommission greift ein Thema an, das sie nichts angeht."

Die "Südländer" wiederum, von denen die Idee kam, fühlten sich missverstanden - und von Brüssel im Stich gelassen. Er sei kurz nachdem die Idee fallen gelassen wurde in Italien gewesen, sagt Hahn: "Dort hat man sich aufgeregt, dass die Kommission einen Kniefall vor den Nordländern gemacht hat." Auch ein Kollege aus Kroatien hätte ihm gesagt, "wir hätten das schon gerne gehabt".

Von der Mehrheit im Ministerrat, die die Idee grundsätzlich befürwortet hatte, war da freilich längst nichts mehr zu hören. Auch die eine oder andere nationale Regierung wollte sich daran offenbar nicht mehr erinnern - und stimmte lieber mit ein in die Kritik an denen in Brüssel.

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