Wir wurden für die Ausdauer belohnt: Vier Schanzen im ORF

Ein Star ward geboren. Und wir durften gemütlich von Zuhause aus dabei sein. Thomas Diethard, 21-jähriges Skisprungtalent beim Jubeln im Fuße der Schanze.
Unsere tägliche Begleiterscheinung, diesmal über das Finale der Vierschanzentournee. Wir entdeckten einen Star.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Solche Helden möchte man öfter sehen.

von Philipp Wilhelmer

Über den neuen Skisprung-Star Thomas Diethart

Es ist vollbracht! Wir haben auf der Couch alle vier Schanzen hinter uns gebracht, sind auf HD über unsere Flatscreen-Fernsehern mitgeflogen und haben jeden Telemark elegant lümmelnd bejubelt (sofern er nicht von einem gewissen Herrn Ammann stammte). Und ja: Wir Fernsehzuschauer wurden endlich einmal für unsere Ausdauer belohnt. Wir haben einen neuen Star entdeckt.

Der Reihe nach: Wie wir alle wissen, beginnen die Fernsehabende am Feiertag schon am Nachmittag. Draußen ist eh nix los, Schnee liegt auch keiner, die Geschäfte haben zu, also frönte die Fernsehnation ab 15.30 Uhr auf ORFeins mehrheitlich dem traditionellen Skispringen in Bischofshofen.

Dort loderte zwischen den beiden Kommentatoren Michael Roscher und Andreas Goldberger rhetorisches Feuer. Es ging eigentlich nur um zwei Herrschaften: Simon Ammann, einen 32-jährigen Eidgenossen aus Toggenburg und Thomas Diethart, den elf Jahre jüngeren Flachländler aus dem niederösterreichischen Michelhausen. Dass es für den Newcomer ernst war, bewies die Präsenz des Landesvaters im Publikum: Erwin Pröll war zugegen. Soviel konnte man auch am Fernseher in Wien erkennen.

1. Durchgang: Simon Amman reißt es den rechten Ski weg, als er nach 137,5 Metern den Telemak landet. "Normalerweise eine Leistenzerrung", urteilt Co-Kommentator Goldberger. Ammann steht den Sprung trotzdem. Thomas Diethart lässt sich vom Schanzentisch runter und dem Zuseher verschlägt es fast die Sprache. 1A-Landung, fast die Höchstwertung. Kommentator Roscher: "Was hat der für Nerven. Oder hat er überhaupt keine?" Goldberger vervollständigt die Gedankenkette souverän: "Das hat er heute bewiesen."

Es ist offenbar höchste Zeit, nach Michelhausen zu schalten, um die nähere Umgebung des Skisprung-Wunders zu begutachten. ORF-Reporter Werner Fetz berichtet, was zu berichten ist: Die Michelhausener freuen sich wie wahnsinnig für Diethart. Sogar der "Vis-à-Vis-Nachbar" ist gekommen und steht in dieser bangen Stunde bereit, die drängenden Fragen des Reporters zu beantworten: "Ich bin überzeugt davon, er wird das machen", orakelt der Mann.

Zurück nach Bischofshofen. Der nächste Reporter rückt aus, schließlich steht hier die Familie des Wunderkindes herum und heult fast vor Rührung. "Wie cool sind Sie geblieben?", will er offenbar naheliegenderweise von dem um Fassung ringenden Vater des 21-Jährigen wissen. Der zeigt sich sympathisch erdig: "Von meiner Coolness war nix da. Wenn ich die ganze Familie nicht dabei hätte: Ich glaube ich wäre heute heimgefahren", gesteht Papa Diethart und beweist, dass die am wenigsten abgebrühten Interviewpartner mit Abstand die nettesten sind.

Der ORF gönnt uns kurz eine Werbepause, bevor es wirklich ernst wird.

2. Durchgang: Gregor Schlierenzauer, für dessen Emotionen an diesem, nämlich Dietharts Tag nur wenig Zeit bleiben, springt 130,5 Meter und damit auf den 18. Platz. "Abhaken, diese Tournee”, rät Goldberger. Thomas Morgenstern springt danach knapp am Schanzenrekord vorbei: 142 Meter. "Ein Wahnsinnssatz!" ruft Roscher.

Ammann verreißt es wieder leicht den Ski, dann kommt endlich der Mann der Stunde: "25.000 zittern unten im Stadion", ruft Roscher: "Um einen historischen Sieg, um einen historischen Triumph und einen vielleicht historischen Sprung!"

Diethart rast über den Schanzentisch.

"Jawohl! Über die grüne Linie", hört man den Kommentator schreien. "Ein Niederösterreicher ist Vierschanzentournee-Sieger. Bischofshofen steht Kopf, Michelhausen steht Kopf, die Kommentatorenkabine steht Kopf, die Skisprungwelt steht Kopf!" Dankenswerterweise bleiben die Kameramänner in Bischofshofen auf den Beinen stehen.

"Wie seinerzeit der Goldberger", wird es später in einer Nachanalyse heißen, als der vom eigenen Erfolg schockierte 21-Jährige endlich aus der Auslaufzone findet. "Dem Papa gehts jetzt wahrscheinlich schlechter als mir", sagt er mit entwaffnender Offenheit. Solche Helden möchte man öfter sehen.

Sein Skisprung-historisches Vorbild verabschiedete sich unterdessen artig von den Zusehern. "Danke, dass ich dabei sein hab' dürfen. Aber ich brauch' jetzt auch ein paar Tage Pause", bekannte Goldberger zum Abschied.

Bis zum nächsten Jahr!

FAZIT: Stars entdeckt man am besten von der Couch aus.

INFO: Vierschanzentournee: Finale am Montag auf ORF eins.

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