So stellt sich der typische Großstädter das Landleben nicht vor. Er denkt mehr an Blümchenwiesen, frei laufende Schweine und Hähne, die vom Misthaufen her krähen. Also an jene Bilder, die ihm die Werbeprofis vorgaukeln. „Ich kenne noch jedes Tier in meinem Stall per Namen“, prahlte ein Bauer auf der Messe. Erst als die feucht-fröhliche Bobo-Runde außer Hörweite war, fügte er zum Gaudium seiner Kollegen hinzu: „Die männlichen Tiere heißen Herbert, die weiblichen Ilse.“
Klingt vielleicht lustig, ist aber schon ein Teil der bitteren Wahrheit. Der typische Konsument will gar nicht so genau wissen, woher sein Schnitzel kommt. Schon gar nicht, wenn ihm die hohe Inflation das Haushaltsbudget zusammenfrisst. Mit sinkender Kaufkraft erodiert das Interesse an den Tierwohlstandards. Der Vorsatz, dass künftig nur noch Fleisch vom glücklichen Strohschwein auf den Teller kommt, ist schnell vergessen. Billig statt bio. Augen zu und durch. Prost, Mahlzeit!
Damit sind einmal mehr jene Bauern bestätigt, die noch immer in Ställe mit Spaltenböden investieren. Schlicht, weil sie sich nicht vorstellen können, das Bio- und Tierwohlinitiativen jemals mehr als 20 Prozent des Marktes erreichen werden. Viel Platz im Stroh-Stall klingt auch – und gerade – für Landwirte fantastisch. Allerdings nur, wenn sie einen Abnehmer finden, der bereit ist, einen entsprechenden Preis dafür zu bezahlen. Keine leichte Übung, wissen alle entlang der Wertschöpfungskette. Schließlich kennt der typische Konsument Mastbetriebe nur vom Wegschauen. Von innen hat er einen solchen Stall noch nicht gesehen. Steht so ein Kunde an der Fleischtheke, kann er sich folglich nicht erklären, warum genau er für das eine Steak deutlich mehr bezahlen soll als für das andere. Hier müssten sich die Vermarkter auch selbst an der Nase nehmen. Und besser kommunizieren. Weniger weichgezeichnete Werbebilder, mehr ehrliche Aufklärung.
Ansonsten gilt ein einigermaßen abgedroschenes Zitat aus der Feder von Bertolt Brecht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Böse Zungen behaupten übrigens, dass selbst die Kantinen der Agrarier verlässlich bis auf den letzten Platz gefüllt sind, wenn auf dem Speiseplan das XXL-Schnitzel zum Superpreis angepriesen wird.
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