"Addendum" ist ein Modellfall für ein viel größeres Problem

"Addendum" ist ein Modellfall für ein viel größeres Problem
Dietrich Mateschitz hat eine künstliche Medienblase geschaffen. Mit dieser sollte er nachhaltig umgehen. Das fällt ihm schwer.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Dietrich Mateschitz hat es gegeben, Dietrich Mateschitz hat es genommen. Die Rechercheplattform Addendum ist nach fast genau drei Jahren Geschichte. Dem Vernehmen nach hat Chefredakteur und Geschäftsführer Michael Fleischhacker von der Entscheidung am Montag erfahren, am Dienstag folgte eine dürre Aussendung, wo von „Wertschätzung“ die Rede war, als man 57 Mitarbeiter- zum Teil erstklassige Journalistinnen und Journalisten - von heute auf morgen ohne Vorwarnung vor die Tür setzte.

Addendum, als gemeinnütziges „anderes“ Medium gegründet, hatte nie wirklich sein Publikum gefunden. Ausgeglichen bilanzieren konnte man nur, weil die Quo Vadis Veritas GmbH an Servus TV Reportagen lieferte. Als die Aufträge von diesem anderen wichtigen Teil des Mateschitz-Universums ausblieben, liefen die Unkosten direkt zulasten des Milliardärs. Der - immer schon beinharter Geschäftsmann - schaute da nicht lange zu.

Addendum war immer eine künstliche Blase von Gnaden des Red-Bull-Gründers gewesen: Exzellente Journalistinnen und Journalisten fanden dort eine (oft gut bezahlte) vorübergehende Heimat in einem immer härter werdenden Jobmarkt. Der Markt für diese Arbeitskräfte war in Wahrheit nicht vorhanden, was umso bitterer zeigt, wie sehr hier ein mächtiger Mann auf eine systemrelevante Branche einwirkt: Talente um sich scharen, um sie dann kaltschnäuzig zu feuern, mag in der Red-Bull-Welt normal sein - in der Medienbranche, in der Berichterstatterinnen und Berichterstatter einen sicheren Hafen brauchen, um kritisch ihrer Arbeit nachgehen zu können, ist das eine gefährliche Unsitte.

Addendum ist jedoch auch ein Modellfall für ein viel größeres Problem in der TV-Branche: Wenn Mateschitz (oder seine Erben bzw. Mitgesellschafter) dereinst das Interesse am ebenso künstlich hochgefahrenen Fernsehsender Servus TV verliert, wackeln viele Jobs in der gesamten Produktionslandschaft. Schon einmal hat er von heute auf morgen den Sender zu- und nach Demutsgesten von Gewerkschaft und Mitarbeitern wieder aufgesperrt, weil man in der Firma gewagt hatte, das Wort „Betriebsrat“ in den Mund zu nehmen.

Mateschitz ist in der heimischen Medienbranche ein wichtiger Geldgeber, aber er versteht es offenkundig nicht, nachhaltig mit dieser umzugehen. Entweder wir wirtschaften nachhaltig, oder gar nicht. Für die Launen eines Milliardärs taugen Fernsehsender, Medienplattformen und Magazine nicht.

Er sollte seine Verantwortung erkennen. Und entsprechend Vorsorge tragen.

 

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